Über die rote Linie hinaus

Razzien, Strafverfahren, Rufmordkampagnen: Wenn NGOs versuchen, die Verbrechen unter Stalin aufzuarbeiten, geraten sie ins Visier der Justiz.

Historische Erinnerungsdebatten erleben in Russland einen regelrechten Boom – insbesondere die Repression unter dem Stalinismus schlägt zurzeit hohe Wellen. Diesbezüglich herrscht oft nur bedingt auf wissenschaftlichen Fakten gründender Meinungspluralismus. Im Kampf um die Deutungshoheit konkurrieren kirchliche, politische und zivilgesellschaftliche Kreise, deren Agenda von der kritischen Aufarbeitung stalinistischer Verbrechen bis hin zu deren Leugnung reicht. Читать далее

Рубрика: Baltikum, Geschichte + Gegenwart, Menschenrechte | Комментарии к записи Über die rote Linie hinaus отключены

Kein Platz »Für Menschenrechte«

Der russische Staat verschärft die Repression gegen Nichtregierungsorganisationen

Menschenrechtsorganisationen haben in Russland einen schweren Stand. Dass der Staat ein komplettes Verbot verhängt, wie vergangene Woche gegen die Bewegung »Für Menschenrechte«, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt dennoch eine Ausnahme. Das Oberste Gericht verfügte über die Schließung der seit über zwanzig Jahren aktiven Organisation mit Sitz in Moskau, deren Arbeit ein breites thematisches Spektrum umfasst: von der Rechtshilfe für Häftlinge, Rentner und Geringverdiener über die Unterstützung für unabhängige Medien bis hin zum Monitoring von Gerichtsprozessen als unabhängiges Kontrollinstrument der russischen Justiz. Bis zum Sommer erhielt »Für Menschenrechte« über acht Jahre lang staatliche Mittel aus einem speziellen Fördertopf für nichtkommerzielle Einrichtungen. Dann folgte plötzlich eine Absage. Und nun die Auflösung aufgrund von Verstößen gegen das Gesetz über sogenannte ausländische Agenten und Formfehler in den Vereinsunterlagen.


Lew Ponomarjow auf der jährlich stattfindenden antifaschistischen Demonstration in Moskau anlässlich der Ermordung von Stanislaw Markelow und Anastasia Baburowa. Foto uw Читать далее

Рубрика: Antifaschismus, Foto, Menschenrechte, Protest | Комментарии к записи Kein Platz »Für Menschenrechte« отключены

Wer braucht schon Permafrost

Russland hat katastrophale Folgen des Klimawandels zu erwarten. Sonderlich ambitioniert ist die Klimaschutzpolitik der Regierung dennoch nicht. Dritter Teil einer Serie über Klimapolitik in verschiedenen Ländern.

In den wilden 1990er Jahren entstanden in Russland allerlei neue Parteien und Bewegungen, die Anspruch auf programmatische Veränderungen geltend machten. Ob »Demokratisches Russland«, »Unser Haus Russland« oder »Demokratische Wahl Russlands« – fast immer tauchte der Landesname als Markenzeichen auf. In der Flut zahlreicher neuer politischer Organisationen ging eine beinahe unter: »Subtropisches Russland«. Zu deren Forderungen zählte die Anhebung des Alkoholgehalts bei Wodka von 40 auf 50 Prozent und eine dauerhafte Erwärmung der Außentemperatur auf angenehme 20 Grad. Es war eine Bewegung für Auserwählten, denn zu den Aufnahmeritualen gehörte ein Bad in einem Brunnen in der Moskauer Innenstadt; nicht Anfang August, wenn die Angehörigen russischer Luftlandetruppen an ihrem Ehrentag in Wasseranlagen planschen dürfen, die eigentlich als Zierde gedacht sind, sondern Ende September, wenn sich die meisten Menschen in Erwartung erster Schneefälle lieber warm anziehen, als einen Sprung ins kalte Wasser zu wagen.


«Wir leben hier!» — Aktion für eine saubere Umwelt in Moskau am 21. September.
Читать далее

Рубрика: Foto, Russland und der Westen, Umwelt | Комментарии к записи Wer braucht schon Permafrost отключены

Der große Integrator

Russland unterstützt nicht nur die syrische Regierung militärisch, sondern pflegt auch Kontakte zu den Kurden und verhandelt mit der Türkei sowie dem Iran über die politische Zukunft Syriens. So will das Land seinen Einfluss in der Region ausbauen.

Am Tag, als die Türkei und die USA eine fünftägige Waffenruhe für Nordsyrien aushandelten, war Russlands Präsident Wladimir Putin anderweitig beschäftigt. Unter seiner Oberaufsicht fand ein großangelegtes russisches Militärmanöver statt, bei dem auch Marschflugkörper zum Einsatz kamen. Ein Sprecher in den Abendnachrichten des ersten russischen Staatsfernsehens fasste die Zurschaustellung des derzeitigen Kampfpotentials zusammen: »Klar ist, dass der Feind nicht durchkommt – nicht zu Fuß, nicht auf Rädern, nicht in der Luft und nicht einmal auf dem Wasser.«
Читать далее

Рубрика: Militär, Russland und der Westen | Комментарии к записи Der große Integrator отключены

Russland, das Agentengesetz und die Rhetorik des Kalten Krieges

Beitrag auf Radio Corax
Читать далее

Рубрика: Audio, Radio, Wahlen | Комментарии к записи Russland, das Agentengesetz und die Rhetorik des Kalten Krieges отключены

Kasse machen mit »Agenten«

Russische Behörden setzen unliebsame Organisationen mit Geldstrafen unter Druck

Mit der Diffamierung als sogenannter ausländischer Agent müssen in Russland bereits viele Organisationen leben. Den Fonds für Korruptionsbekämpfung (FBK) des Oppositionellen Aleksej Nawalny traf es erst jetzt. Am 9. Oktober verkündete das russische Justizministerium auf seiner Internetseite, dass der FBK die geltenden gesetzlichen Voraussetzungen als »ausländischer Agent« erfülle. Der Eintrag ins entsprechende Register erfolgte später, eine schriftliche Begründung legte das Ministerium bislang nicht vor.

Details präsentierten staatsnahe Medien wie der Fernsehsender REN TV. Der Fonds soll zwei Zahlungen aus Spanien und eine aus den USA erhalten haben, über eine Summe von bescheidenen 2000 Euro. Weitaus mehr als das Doppelte an Spenden russischer Unterstützer erhielt Nawalny allein während seines jüngsten einstündigen Liveauftritts auf Youtube, wo er sich ungehalten über die grobe und wenig einfallsreiche Vorgehensweise der von ihm in seinen Korruptionsrecherchen heftig kritisierten russischen Staatsführung ausließ. Читать далее

Рубрика: Protest | Комментарии к записи Kasse machen mit »Agenten« отключены

»Die Geschichte wird umgeschrieben«

Während in Russland der Staat immer autoritärere Züge annimmt, wird die Vergangenheit verklärt. Selbst Stalin gilt inzwischen wieder als verdienstvoller Anführer. Ein Gespräch mit der Historikerin Irina Scherbakowa.

In jüngster Zeit lässt sich in Russland eine regelrechte Hochkonjunktur von Erinnerungsdebatten beobachten. Staat, Kirche und etliche andere haben sich dessen angenommen. ­Warum?
Noch vor 20 Jahren waren wir von Memorial fast die einzigen, die sich mit Erinnerungsfragen auseinandergesetzt haben. Heute diskutieren alle darüber, aus den unterschiedlichsten Perspektiven, auch aus der uns ähnlichen. Das ist ein regelrechter Kampf um historische Erinnerung, wobei Gegenstand und Begrifflichkeit nicht klar definiert sind. Während der Perestroika war das Thema präsent, aber spätestens seit 1991 verlor sich das Interesse, denn damals eröffneten sich, so schien es, neue Möglichkeiten und die Menschen blickten in die Zukunft. Heute ist die Ausgangssituation eine komplett andere. ­Zukunftsprojektionen existieren nicht mehr. Читать далее

Рубрика: Geschichte + Gegenwart, Interview | Комментарии к записи »Die Geschichte wird umgeschrieben« отключены

Korruption und Feindschaft

Der Sohn des früheren US-Vizepräsidenten Joe Biden hat eine Staatsaffäre ausgelöst. Seine Tätigkeit für eine ukrainische Gasfirma wirft Fragen auf.

Manchen scheint der Fall klar: Gelangt Geld aus der Ukraine in den Westen, muss es wohl um Korruption gehen. Wenn der US-Präsident interessiert ist an der Aufklärung der Umstände solcher Geldtransfers an den Sohn des US-­Politikers Joe Biden, dann deshalb, weil er dem bislang aussichtsreichsten ­Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten schaden will. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll Donald Trump einen ­Gefallen erweisen und Fakten liefern. Diese Schlussfolgerung lässt die jüngst erfolgte Teilveröffentlichung eines ­Gesprächsprotokolls in der Tat zu. Das Protokoll fasst den Inhalt eines Tele­fonats zwischen Trump und Selenskyj Ende Juli zusammen. Читать далее

Рубрика: Russland und der Westen, Ukraine | Комментарии к записи Korruption und Feindschaft отключены

Wundersame Läuterung

In Russland versuchen die Strafverfolgungsbehörden, die jüngsten Proteste für die Zulassung oppositioneller Kandidaten zu Wahlen als Werk einer einheitlichen, hierarchisch organisierten Bewegung darzustellen. Trotz einiger harter Urteile gegen einzelne Protestierende hatten sie damit bislang wenig Erfolg.

Nichts charakterisiert die russische Justiz treffender als die wunderliche Läuterung des Moskauer Amtsrichters Aleksej Kriworutschko. Am 16. September verurteilte er den angehenden Schauspieler Pawel Ustinow zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren. Zur Last gelegt wurden diesem Beteiligung an Massenunruhen, Widerstand gegen die Staatsgewalt und lebensgefährliche Körperverletzung eines Polizisten während der Demonstrationen gegen die Ablehnung oppositioneller Kandidaten vor den Stadtparlamentswahlen in Moskau.
Читать далее

Рубрика: Gerichtsprozesse, Protest | Комментарии к записи Wundersame Läuterung отключены

Die taktische Wahl

Mit einer neuen Strategie gelang es der Opposition, einigen ihrer Kandidaten bei den russischen Regionalwahlen am 8. September zum Sieg zu verhelfen. Die Regierung reagiert mit verstärkter Repression.

Dmitrij Medwedjew ist zufrieden. Wieder einmal, denn die Dinge schönzureden gehört zum Amtsgeschäft als Ministerpräsident und Vorsitzender der Partei Einiges Russland. Nach den Parlaments-, Gouverneurs- und Bezirkswahlen, die am 8. September in vielen Regionen Russlands stattfanden, kons­tatierte er, dass seine Partei die führende politische Kraft im Land bleibe. Ein mächtiger Apparat hatte all seine Ressourcen eingesetzt, um der Partei Ei­niges Russland vorzeigbare Resultate zu ermöglichen.

Vor einem Jahr, als ebenfalls in vielen Regionen Wahlen stattfanden, erlitt die Partei dennoch einige Niederlagen. Читать далее

Рубрика: Protest, Wahlen | Комментарии к записи Die taktische Wahl отключены