Eine Bombe schafft Einigkeit

Bereits zwei Tage nach dem Anschlag in der weißrussischen Hauptstadt Minsk präsentierte die Staatsanwaltschaft die angeblichen Täter. Doch nicht nur Opposi­tionelle zweifeln an diesem Ermittlungsergebnis.

Die Weißrussen sind derzeit »so einig wie nie zuvor«. Zu dieser gewagten Schlussfolgerung kam ihr Präsident Alexander Lukaschenko nach dem Bombenanschlag in der Minsker Metro , bei dem am 11. April 13 Menschen ums Leben kamen und etwa 200 verletzt wurden. Bereits zwei Tage später erfolgte die Festnahme der vermeintlichen Täter. Dmitrij Konowalow aus Witebsk und dessen Klassenkamerad gelten als Hauptverdächtige. Konowalows Vater, Uhrmacher von Beruf, soll den Zündungsmechanismus angefertigt haben.

Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft wurde nicht nur der Anschlag von Minsk sensationell schnell aufgeklärt, es sei auch festgestellt worden, dass dieselben Täter für zwei Anschläge in Witebsk im Jahr 2005 verantwortlich waren. Ein Motiv bleibt die Behörde der Öffentlichkeit allerdings schuldig. Dass eine krankhafte Neigung, sich an menschlichem Leid zu ergötzen, zu den Anschlägen geführt habe, wie einer der Festgenommen gestanden haben soll, mag kaum jemand glauben.

Lukaschenko nutzt den jüngsten Bombenanschlag derweil propagandistisch aus. Er gesteht sogar eine Mitverantwortung des Staats ein, allerdings ist seine Interpretation recht eigenwillig: »Am Vorabend der Präsidentschaftswahlen haben wir uns so weit demokratisiert, dass nicht nur euch, sondern auch mir übel wurde.« Die »vollkommene Freiheit« und die »Demokratisierung« hätten »unsere Feinde immer ausgenutzt«.

Tatsächlich waren während des Wahlkampfs im vergangenen Herbst einige Restriktionen ge­lockert worden, Lukaschenkos Sieg stand jedoch nie in Frage. Seitdem wurde die Opposition durch zahlreiche Strafverfahren und Schikanen wieder in die Defensive gedrängt, nun wird gegen die »fünfte Kolonne« wegen einer eventuellen Betei­ligung an dem Terrorakt ermittelt. Am 19. April wurde Pawel Lewinow vom weißrussischen Helsinki-Komitee für vorerst zehn Tage inhaftiert.

Oppositionelle äußerten Zweifel an dem Ermittlungsergebnis. »Idioten« nannte Lukaschenko jene Kritiker, die der Staatsführung ein Interesse daran unterstellten, die Bevölkerung von den sich verschärfenden ökonomischen Problemen abzulenken. Tatsächlich sind im vorigen Jahr die staatlichen Währungsreserven um elf Prozent auf fünf Milliarden Dollar geschrumpft. Seit Jahresanfang sanken sie um weitere 20 Prozent, während die Auslandsschulden mit beinahe elf Mil­liarden Dollar angegeben werden. Es gibt eine erhöhte Nachfrage nach ausländischen Währungen, die nach dem Terroranschlag weiter anstieg. Allerdings verfügte die Zentralbank einen Auszahlungsstopp für den Umtausch bei kommerziellen Banken. Wer derzeit in Weißrussland Euro, Dollar oder russische Rubel erwerben will, ist auf den Schwarzmarkt angewiesen.

Durch ausländische Direktinvestitionen konnte sich die weißrussische Wirtschaft über Jahre hinweg halbwegs stabilisieren, jedoch lösen diese nicht das Hauptproblem des Landes, das mangels eigener Ressourcen auf Rohstoffimporte angewiesen ist. Allein die Erdgaslieferungen kosteten im vorigen Jahr mehr als drei Milliarden Dollar. Kredite in dieser Höhe sollen nun vorübergehende Erleichterung schaffen. Russland bestätigte Mitte April die schnelle Gewährung von einer Milliarde Dollar, vorausgesetzt, Lukaschenko leite strukturelle Wirtschaftsreformen ein. Weitere zwei Milliarden sind bei der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft beantragt.

Kurz vor dem Anschlag in der Minsker Metro hatte die russische Regierung angekündigt, die Entscheidung über den Kredit aufzuschieben. Dies veranlasste Pawel Scheremet, einen Journalisten der russischen Tageszeitung Kommersant, im hauseigenen Radiosender zu der These, der Anschlag könnte im Zusammenhang mit der sich verzögernden Vergabe russischer Kredite stehen. Es sei aber auch nicht auszuschließen, dass die Ursache Zwistigkeiten innerhalb des weißrussischen Geheimdienstes seien. Der nennt sich traditionsbewusst noch immer KGB.

Ute Weinmann

http://jungle-world.com/artikel/2011/17/43089.html

 

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