In Russland hat vor allem Präsident Wladimir Putin das Sagen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird weiter eingeschränkt.
Regieren ist ein schwieriges Geschäft, insbesondere wenn es um mühsame Koalitionsverhandlungen geht. Derlei hausgemachte Probleme wie in Deutschland kennt das politische System in Russland bekanntlich nicht. Das Prozedere der Regierungsbildung mutet dort fremd an, darum kümmert sich in Russland um höherer Effektivität willen der Präsident persönlich. Doch das bedeutet nicht, dass die Regierung den an sie gestellten Ansprüchen genügt. Das muss sie auch nicht, denn sie darf und soll in der Öffentlichkeit für alle Missstände verantwortlich gemacht werden, während für die strategische Ausrichtung der russischen Politik allein der Präsident und dessen Verwaltungsapparat Sorge tragen.
In seiner jüngsten Parlamentsansprache übte Wladimir Putin scharfe Kritik an der Regierung unter Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew. Sie widersetze sich seinen Dekreten vom Mai 2012 oder setze diese nur teilweise um, was zu ablehnenden Reaktionen in der russischen Gesellschaft führe. In den Dekreten geht es um die langfristige sozialökonomische Entwicklung Russlands, die Arbeitsproduktivität und die Reallöhne sollen gesteigert, die Wirtschaft modernisiert und bessere Bedingungen für Investitionen geschaffen werden. Tatsächlich dürfte die immer wieder angemahnte Umgestaltung der von Rohstoffexporten dominierten russischen Wirtschaft zu den größten Herausforderungen der russischen Regierung zählen, woran sich auch nach der erwarteten Entlassung Medwedjews kaum etwas ändern wird.
Ansonsten geht das politische Tagesgeschäft kurz vor Jahresende seinen Gang, worüber auch das Ausland in Zukunft besser informiert sein wird. Im Dezember verfügte der Präsident die Schließung der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti, die sich in ihrer Berichterstattung zu viele Freiheiten herausgenommen hatte. An ihrer Stelle entsteht mit Rossija Segodnja eine Agentur zur Imageförderung Russlands als Gegenstück zu dem im Ausland erfolgreichen Fernsehpropagandaservice Russia Today, von dessen zum Teil kostenlosen Angeboten auch deutsche Medien Gebrauch machen. Gleichzeitig entsteht nach dem jüngsten Verkauf von Profmedia des Oligarchen Wladimir Potanin an die größte russische Medien-Holding Gazprom-Media ein Staatsmonopol.
Anders als auf die Regierung kann Putin sich auf das Parlament verlassen. Vor wenigen Tagen verabschiedete die Duma ein Gesetz, das russische Staatsbürger zur Anmeldung am tatsächlichen Wohnort verpflichtet und fiktive Registrierungen unter Strafe stellt. De facto macht dieses Gesetz legale Mobilität zu einem Luxusgut, denn es ist in Russland mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, sich am jeweiligen Aufenthaltsort anzumelden. Und in der Duma wurden bereits Vorschläge laut, Medien mit ausländischer Finanzierung als Instrumente ausländischer Agenten zu brandmarken. Bei den Nichtregierungsorganisationen fiel die Ausbeute nach den Razzien im Frühjahr eher bescheiden aus, da Staatsanwaltschaften und Gerichte eine abwartende Haltung eingenommen oder sogar Beschlüsse zugunsten der Betroffenen gefasst hatten. Nur fünf Organisationen wurden verpflichtet, sich als »Agenten« zu registrieren, eine davon ausgerechnet am 20. Jahrestag der russischen Verfassung.
Ute Weinmann