In den »Volksrepubliken« in der Ost-Ukraine wurde gewählt. Das Ergebnis überraschte nicht.
Pragmatismus ist im Donbass das Gebot der Stunde. Genauer gesagt, bei der Bevölkerung in dem Teil des Donezker und Lugansker Gebiets, die am Sonntag dazu aufgerufen war, gegen die Vorgaben der ukrainischen Regierung in Kiew ihre Stimme für die Wahl regionaler parlamentarischer Vertretungen und dazugehöriger Staatsoberhäupter abzugeben. Jedenfalls dürfte unter den gegebenen Umständen ein Sack Kartoffeln aus russischen humanitären Hilfslieferungen für einen Griwna (umgerechnet sechs Cent) vor den Wahllokalen kein schlechteres Argument für eine Stimmabgabe darstellen als der Wunsch nach einer Normalisierung der Verhältnisse. Aus Russland ertönten aus Regierungskreisen und Parteien prompt lobende Worte über die »freien Wahlen« und die überaus hohe Wahlbeteiligung.
Gewonnen haben, wie nicht anders zu erwarten, die aktuellen Machthaber der »Volksrepubliken«: in Donezk Alexander Sachartschenko und in Lugansk Igor Plotnitskij. In den Lugansker »Volksrat« halten zwei Organisationen Einzug, nämlich »Frieden für Lugansk« und abgeschlagen auf dem zweiten Platz die »Lugansker Wirtschaftsunion«; die Bewegung »Donezker Republik« und »Freier Donbass« bilden das Donezker Pendant dazu.
Es erübrigt sich zu erwähnen, dass der Kreml die Wahlergebnisse anstandslos akzeptierte, während die USA und die Europäische Union eine Anerkennung der als illegal bezeichneten Stimmabgabe ablehnen. Dementsprechend wurden erst gar keine offiziellen Wahlbeobachter entsandt. Deren Stelle nahmen Vertreter der europäischen Rechten ein, unter Federführung des vormaligen Mitglieds der FPÖ, Ewald Stadler, und Alessandro Musolinos von der Forza Italia, die mit einer dubiosen Imitation der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) unter dem Akronym ASZE angetreten waren, wobei das »A« für »Assoziation« steht.
Sachartschenko hatte kaum seine Stimme abgegeben, als er sich der ukrainischen Regierung bereits als nun von der Bevölkerung legitimierter Verhandlungspartner anbot – vorausgesetzt, die Regierung ziehe ihre Truppen ab und erkenne die Wahlen an. Leere Worte. Gute Beziehungen braucht es vor allem zur russischen Regierung, dem einzigen Garanten für die Überlebensfähigkeit der »Volksrepubliken«. Russland wird auf einem niedrigen Niveau Hilfe leisten und stellt außerdem Zollfreiheit für Importe aus dem Donbass in Aussicht. Die wirtschaftliche Kooperation mit »Neurussland« sieht für Russlands Establishment zudem wesentlich lukrativere Geschäftsmodelle vor. So kam es bereits zum Verkauf eines Hüttenkombinats im Lugansker Industriezentrum Altschewsk, zu dessen Eignern der vormalige, nach den Ereignissen auf dem Maidan von Kiew eingesetzte Donezker Gouverneur, Sergej Taruta, gehört. Die Mehrheit in seiner Holding hielten allerdings russische Aktionäre und das erwähnte Kombinat gehört nun der halbstaatlichen WTB-Bank, die von den EU-Sanktionen gegen Russland betroffen ist.
Kriegs- und Friedensökonomie existieren in den »Volksrepubliken« parallel, die Großbetriebe führen sogar Steuern nach Kiew ab. Politisch haben die Wahlen die von Russland legitimierten Anführer gestärkt. Ob und wie sich die zahlreichen einflussreichen Feldkommandeure in diese Hierarchie einfügen, bleibt abzuwarten.
Ute Weinmann