Krim-Annexion durch Russland und bewaffnete Auseinandersetzungen im Osten der Ukraine, die veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen begünstigen rechtslastige Bündnisse in ganz neuen Konstellationen. In Deutschland manifestierte sich dies insbesondere im sogenannten „Friedenswinter“, ein Schnittpunkt zwischen der traditionellen Friedensbewegung und diverser rechter Strukturen. Zur gemeinsamen Agenda zählen ein krudes Antifaschismus-Verständnis und ein weit verbreiteter Antiamerikanismus. Dass sich der einstige Vordenker einer neuen Ostpolitik, der Sozialdemokrat Egon Bahr, im November 2014 in Berlin als Redner und Ehrengast in eine Konferenz der rechten Zeitschrift COMPACT unter dem Motto „Frieden mit Russland“ einbinden ließ, ist somit kaum verwunderlich. Dort sprach auch Wladimir Jakunin, Chef der russischen Eisenbahn und enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Verbindungen russischer Führungskreise zur europäischen Rechten sind kein neues Phänomen. Aber erst seit dem Erscheinen von Vertretern europäischer ultranationalistischer und faschistischer Parteien als Wahlbeobachter auf der Krim im vergangenen Jahr scheint dieser Umstand im Bewusstsein einer etwas breiteren Öffentlichkeit angekommen zu sein. Tatsächlich haben die Entwicklungen auf der Krim und im Donbass das russische Politestablishment darin bestärkt, die Nähe zu Parteistrukturen der europäischen extremen Rechten zu suchen. Das führte Ende März 2014 in St. Petersburg dazu, dass unter Jakunins Ägide über den Kampf gegen den Neofaschismus gemeinsam mit exponierten Figuren der europäischen Rechten wie dem polnischen Antisemiten Mateusz Pikorski diskutiert wurde.
Ein Jahr später bot sich St. Petersburg wieder für ein Treffen mit europäischer Beteiligung an. Den Veranstaltern des „Internationalen russischen konservativen Forums“ von der kremlnahen rechtsextremen Partei „Rodina“ (Heimat) schwebte vor, eine Art Netzwerk zur besseren Koordinierung nationalkonservativer Kräfte ins Leben zu rufen. Das Kalkül dahinter geht über die Zelebrierung gemeinsamer traditioneller Werte weit hinaus. Letztlich geht es der russischen Seite darum, über befreundete Strukturen Druck auf Regierungen innerhalb der Europäischen Union hinsichtlich für Russland relevanter Entscheidungen auszuüben. Ein pragmatisches und vielversprechendes Konzept, das sich bestehende ideologische Gemeinsamkeiten zunutze macht, gleichzeitig jedoch nicht zwingend daran gebunden ist. Dessen praktische Umsetzung beinhaltet einen Millionen-Kredit durch eine russische Bank zur Wahlkampffinanzierung für den rechtspopulistischen französischen Front National.
Russische Politiker ersten Ranges wägen durchaus ab, ob ihre Präsenz bei derartigen Veranstaltungen angemessen erscheint. Aleksej Zhurawljow, Vorsitzender der Partei Rodina und gleichzeitig Fraktionsmitglied der Partei Einiges Russland in der Duma, hatte seine Teilnahme an dem Petersburger Forum zwar angekündigt, blieb ihm jedoch fern. Dafür fanden sich allerlei Vertreter der russischen rechten Polit-Prominenz ein. Allerdings nur jene, die sich vom Kiewer Maidan distanzierten und sich solidarisch mit den abtrünnigen „Volksrepubliken“ im ukrainischen Donbass erklären. Der Austausch mit ihren Gesinnungsgenossen von der deutschen NPD, der italienischen Forza Nuova, aus Großbritannien, Griechenland, Bulgarien und den USA wurde allerdings durch die Nachricht über einen am Tagungsort vermeintlich platzierten Sprengsatz abrupt unterbrochen.
Immunität gegen rechtes Gedankengut gibt es nicht, das gilt auch für Russland und andere sowjetische Nachfolgestaaten, die seinerzeit den Sieg über NS-Deutschland davon getragen haben. Um rechte Allianzen auf nationaler und internationaler Ebene zu entlarven und sich gegen sie zur Wehr zu setzen, braucht es zuallererst eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem eigenen Faschismusbegriff und den Prozessen, die der extremen Rechten europaweit neuen Aufwind verschaffen. Historische Zuschreibungen können dafür von Nutzen sein, sie können aber auch das Auge trüben und zu eingangs beschriebenen Konstellationen führen.
Ute Weinmann