Streikführer Andrej Baschutin kündigt verschärften Protest gegen neue russische Maut an
Die OPR hatte zu einem landesweiten Truckerstreik gegen das Mautsystem »Platon« aufgerufen. Sind sie ihrem Ziel in den seither vergangenen vier Wochen näher gekommen?
Es gibt zunehmend Reaktionen auf unseren Streik. In vielen Regionen erklären sich lokale Staatsvertreter zu Gesprächen bereit – sie haben jedoch keinerlei Entscheidungsbefugnisse. Die Regierung hat sich durch ihre demonstrative Zurückhaltung selbst in die Ecke manövriert und simuliert nun diverse Aktivitäten über einflusslose Mittelsmänner. Die wollen uns beispielsweise zu einem runden Tisch mit Industriellen und Unternehmern zum Thema Lenk- und Ruhezeiten einladen. Dabei bleibt deren Interesse völlig unklar.
Die zahlenmäßig kleine Fahrerbewegung »12 Tonnen«, die sich gegen den Streik ausspricht, lud uns zu einem Video-Streaming mit Dumaabgeordneten ein. Unser Gegenvorschlag, eine Direktübertragung im Staatsfernsehen zu organisieren, fand kein Gehör.
Kürzlich haben sich Mitglieder des Menschenrechtsrats mit der Aufforderung an die Präsidialverwaltung gewandt, ein Treffen mit Spediteuren und Regierungsvertretern zu organisieren, darunter auch aus dem Verkehrsministerium. Genau das entspricht unserer Zielsetzung. Ein Gespräch wird wohl stattfinden, allerdings gehen wir nicht davon aus, dass die oberste Führungsriege dabei sein wird. Aber wir wollen dennoch daran teilnehmen.
Was gefährdet den Streikverlauf?
Zum einen gezielt gestreute Desinformation, die die Streikmoral untergraben soll. Zum anderen glauben manche Fahrer, sie könnten streiken und trotzdem zwischendurch mit einer Fuhre Geld verdienen.
In der ersten Streikwoche lag die Beteiligung sehr hoch. Nach ein bis zwei Wochen, als konkrete Ergebnisse unserer Aktion ausblieben, sind manche Fahrer zeitweise wieder auf Tour gegangen, bis sie verstanden haben, dass das nichts bringt. Inzwischen schlossen sich sogar neue Regionen dem Streik an.
Die Anspannung unter den Streikenden wächst und auch Auftraggeber, insbesondere in Dagestan, machen Druck. Das geht bis hin zu Messerstechereien. Wagen von Streikbrechern wurden in Brand gesetzt. Lkw mit Fracht auf den Straßen sind jetzt alle völlig überladen, aber die Verkehrspolizei drückt ein Auge zu oder kassiert höhere Schmiergelder. Wir wollen demnächst eigene Beobachter an den Kontrollwaagen postieren.
Hat die OPR keine Bedenken, dass der Streik Kleinspediteure vom Markt verdrängt und sich größere Unternehmen die entstandenen Lücken zunutze machen könnten?
Mit der schleichenden Umverteilung der Marktanteile sind wir ohnehin konfrontiert. Selbst in Dagestan mit über 90 Prozent selbstständigen Fahrern gibt es einige größere Spediteure mit bis zu 250 Wagen, die versuchen, ihre Vorteile auszubauen. Aber uns ist klar, dass nur ein gemeinsames Vorgehen ans Ziel bringt.
Wie sieht das weitere Vorgehen aus?
Wir werden den Protest forcieren. Auch andere Gruppierungen zeigen mehr Protestbereitschaft, wie der Fonds gegen Korruption von Alexej Nawalny. Die OPR lehnt Nawalny nicht ab, sucht aber auch keinen Kontakt. Uns ist wichtig, dass die Leute auf die Straße gehen. Bei uns sind die einen für Nawalny, andere für die kommunistische Partei KPRF oder andere politische Strömungen. Doch wir wollen unabhängig bleiben. Die KPRF unterstützt uns zwar stellenweise, aber als Premierminister Dmitri Medwedjew in der Duma behauptete, dass sich nur 480 Fahrer im Streik befänden, hätte es doch einen Aufschrei der Abgeordneten geben müssen. Deshalb haben wir zu niemandem Vertrauen .
Bei den Demonstrationen am 1. Mai werden wir auf unsere Forderungen aufmerksam machen und planen weitere Aktionen.
Mit Andrej Baschutin sprach Ute Weinmann
http://www.pressreader.com/germany/neues-deutschland/20170426/281711204537546