Streikführer Andrej Baschutin kandidiert bei Russlands Präsidentschaftswahl 2018
Mit dabei sein will beim Wettlauf um den Kreml im kommenden Jahr Andrej Baschutin, Vorsitzender der Vereinigung russischer Transportunternehmer OPR. Vor wenigen Tagen trafen sich deren Vertreter aus unterschiedlichen Regionen zu Beratungen, als deren Ergebnis sie Baschutin als Kandidaten für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen aufstellten. Am Mittwoch trat er erstmals in seiner neuen Eigenschaft an die Öffentlichkeit.
Maria Pasuchina und Andrej Baschutin. Foto uw
»Wir sehen in ihm ein ernstzunehmendes Potenzial«, begründet Maria Pasuchina, Koordinatorin der OPR, stellvertretend für deren Mitglieder die Entscheidung. In den vergangenen anderthalb Jahren hat die Organisation in über der Hälfte der russischen Regionen als Interessenvertretung im Logistikbereich ausreichend Erfahrungen gesammelt. Jetzt ist es an der Zeit, die politische Bühne zu betreten. Ein Programm liegt noch nicht vor, soll aber gemeinsam erarbeitet werden.
Baschutin konstatierte vor Journalisten, Russland habe wirtschaftlichen Aufholbedarf und kritisierte den Zusammenbruch des Sozialstaats und des Gesundheitswesens. In seinem ersten kurzen Statement nannte er wenige Kernpunkte. »Ich will mich vor allem für mittlere und Kleinunternehmen einsetzen, für die Stimulierung der Produktion und Entwicklung der Infrastruktur«, sagt Baschutin. Überhöhte Abgaben sollen reduziert werden, so auch Rücklagen für Häusersanierungen, die gar nicht vollständig zum Tragen kommen. Priorität müssten eine Reihe von Grundrechten besitzen, wie das Recht auf Wohnraum, Freiheiten zur Ausübung unternehmerischer Tätigkeiten und eine soziale Grundversorgung. Polizei und Gerichtsbarkeit sollen die Rechte der Bürger verteidigen. »Derzeit beobachten wir die Umkehrung davon, nämlich die Verfolgung jener, die sich für die Einhaltung ihrer Rechte einsetzen«, klagte er.
Das haben viele der über 10 000 Mitglieder der OPR schon häufig am eigenen Leib erfahren. Seit dem 27. März befinden sich die Trucker im Streik gegen eine Mautgebühr für LKW und für eine Reformierung der gesetzlichen Grundlagen der Logistikbranche. Nach über einem Monat signalisierte die Regierung endlich Gesprächsbereitschaft, nur um die Streikenden schließlich kaltschnäuzig abzuweisen. Am Stadtrand von Moskau haben sie mehrere Protestlager errichtet, die nun als mobiler Wahlstab fungieren sollen. Für die praktische Umsetzung werden die Trucker kämpfen müssen, denn schon jetzt sehen sie sich täglich behördlicher und polizeilicher Schikanen bis zu Festnahmen ausgesetzt.
Nach den am 12. Juni erneut aufgeflammten Antikorruptionsprotesten, bescheinigte mancher Beobachter den Bürgerprotesten, die sich von der Politik distanzieren, ein vorläufiges Ende. In Russland hat der Wahlkampf begonnen. Der Oppositionelle Alexej Navalny, der schon vor geraumer Zeit Anspruch auf das Präsidentenamt angemeldet hatte, rief zu den jüngsten Aktionen auf. Aber er orientiert sich im Unterschied zur OPR nicht an den Belangen der zahlreichen sozialen Bewegungen.
Die OPR will sich für diese Gruppe einsetzen. Auf die streikenden Trucker kommen schon jetzt viele zu, die sich staatlicher Willkür ausgesetzt sehen — ob Landwirte, Wissenschaftler oder Menschen, die sich gegen überhöhte Zinsen wehren. Baschutin geht nun zum Angriff über. »Mutig, frech und vorwärts«, lautet seine Devise.
ute weinmann