Bei den Wahlen in Usbekistan wurde den Parteien mehr Spielraum zugestanden. Politische Macht sollen sie allerdings nicht ausüben.
»Neues Usbekistan – neue Wahlen«: Unter diesem Motto waren am 22. Dezember über 20 Millionen usbekische Staatsbürgerinnen und -bürger aufgerufen, die 150 Abgeordneten der Legislativkammer, des Unterhauses des Oliy Majlis, für die kommenden fünf Jahre zu bestimmen.
Tatsächlich prägten eine ganze Reihe von Neuerungen den gesamten Ablauf. Seit Februar vergangenen Jahres regelt ein umfangreicher Wahlkodex das Abstimmungsprozedere, der eine Konkurrenz zwischen den Parteien fördern soll. Das Mehrheitswahlrecht wurde eingeführt, zudem sind Parteien dazu verpflichtet, eine Frauenquote von 30 Prozent bei der Aufstellung ihrer Kandidaten einzuhalten. Im Vorfeld fanden sogar Fernsehdebatten statt, bei denen Parteienvertreter ihre Programme und eine gewisse Meinungsvielfalt demonstrierten, ohne allerdings die Regierung kritisch ins Visier zu nehmen.
Unter dem 2016 verstorbenen langjährigen Staatsoberhaupt Islam Karimow war so viel liberaler Geist unvorstellbar. Sein Nachfolger Schawkat Mirsijojew, vormals langjähriger Ministerpräsident, leitete in dem zentralasiatischen Land Reformen ein. Wegen Wirtschaftsreformen und einer Öffnung gen Westen kürte die britische Zeitschrift The Economist Usbekistan kürzlich sogar zum Land des Jahres. Dass die ersten Parlamentswahlen unter neuer Führung sich von den vorangegangenen unterscheiden, passt ins Bild. Dennoch spielt es letztlich keine große Rolle, welche Kandidaten die meisten Stimmen für die bislang vergebenen 125 Mandate auf sich vereinigen konnten. In den 25 Wahlkreisen, in denen kein Kandidat die absolute Mehrheit erreichte, findet am 5. Januar eine zweite Wahlrunde statt.
Prozentual liegt die Liberaldemokratische Partei mit einem Drittel der Stimmen an der Spitze, es folgen die Demokratische Partei mit 27 Prozent, die Sozialdemokraten mit 16, die Demokratische Volkspartei, die aus der ehemaligen Kommunistischen Partei hervorgegangen ist, mit 14 und die Umweltpartei mit neun Prozent. Über ein geschärftes politisches Profil verfügt keine von ihnen, über Erfahrung in wettbewerbsorientierten Debatten auch nicht.
Dementsprechend schwer dürfte es den Wahlberechtigten gefallen sein, sich für eine Partei zu entscheiden, zumal einzelne Kandidaten mit absurden Vorschlägen aufwarteten, wie beispielsweise ein Politiker der Umweltpartei, der – ganz in der Tradition sowjetischer Gigantomanie – zur Bewässerung eine Umkehr der Fließrichtung sibirischer Flüsse ins Spiel brachte.
Erst wenn die Staatsführung das neue Parlament mit politischen Befugnissen ausstattet, wäre Usbekistan wirklich auf dem Weg zu demokratischen Reformen. Der Nutzen der allesamt handzahmen Parteien steht außer Frage, nur erfüllen sie ihre Funktion in einem autoritären System. Sie stellen eine Art Sprachrohr dar, um Positionen oder gar Zweifel in die Öffentlichkeit zu tragen, mit der sich das Staatsoberhaupt keine Blöße geben will.
An einem Punkt entzündete sich während des Wahlkampfs sogar eine kontroverse sachorientierte Debatte, nämlich hinsichtlich einer möglichen Mitgliedschaft in der Eurasischen Wirtschaftsunion, der bislang Russland, Kasachstan, Belarus, Kirgisistan und Armenien angehören. Dieses Thema dominiert derzeit die politische Debatte. Die Volkspartei spricht sich eindeutig für den Beitritt aus, die Liberal- und Sozialdemokraten warnen, der Beitritt könne die angestrebte Aufnahme in die Welthandelsorganisation (WTO) behindern, während die Demokratische Partei die usbekische Unabhängigkeit gefährdet sieht.
Human Rights Watch merkte vor den Wahlen an, dass trotz eingeleiteter Reformprozesse das politische Herrschaftssystem weiterhin als autoritär eingestuft werden müsse. Die Versammlungsfreiheit bleibt eingeschränkt, es gibt keine freie und unabhängige Presse, Tausende politische Gefangene bleiben in Haft, sexuelle Beziehungen zwischen Männern stellen nach wie vor einen Straftatbestand dar und Zehntausende Menschen werden alljährlich zur Baumwollernte zwangsverpflichtet.
ute weinmann