In Russland soll eine Registrierung per Code den Kampf gegen Covid-19 erleichtern
Seit über einer Woche befindet sich Russland im Zwangsurlaub. Ausnahmen sind nur für überlebensnotwendige Branchen zugelassen. Zunächst sollte dieser Zustand bis zum 5. April gelten, aber Präsident Wladimir Putin verlängerte den Lockdown bis Ende des Monats. Innerhalb weniger Tage meldete er sich mit zwei Ansprachen zu Wort, ansonsten ist es um ihn ungewöhnlich ruhig geworden. Die Verantwortung für die Eindämmung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 übertrug er an die Regierung und die Regionen. Dort konzentriert sich die Kreativität der Behörden häufig auf die Einführung repressiver überwachungsstaatlicher Maßnahmen.
Glaubt man den offiziellen Zahlen, steht Russland relativ gut da. Nach Angaben vom Montag sind landesweit 6343 Menschen mit Corona infiziert, davon 4484 in Moskau. In 47 Fällen endete der Krankheitsverlauf tödlich. Dass die Dunkelziffer weitaus höher ist, liegt zum einen daran, dass der Kontakt zu China sehr eng ist und auch nach der Schließung der Grenze lange erhalten blieb. Zum anderen wurden in diesem Winter überdurchschnittlich viele diagnostizierte Lungenentzündungen gemeldet.
Sergej Sobjanin, Moskaus Bürgermeister, sorgte als Erster für einschneidende Eingriffe in die Bewegungsfreiheit. Seit Ende März dürfen alle, die nicht weiterhin zur Arbeit fahren müssen, die Wohnung nur noch für Einkäufe im nächstgelegenen Laden oder in der Apotheke verlassen. Auch der Müll darf rausgetragen werden. Wer einen Hund hat, kann sich mit ihm bis zu hundert Meter vom Wohnort entfernen.
Um diesen Einschränkungen Nachdruck zu verleihen, führte die Stadt spezielle Geldbußen von 50 Euro bei einmaligen Verstößen ein sowie kündigte die Pflicht an, sich künftig bei jedem Gang auf die Straße mit einem zuvor beantragten QR-Code ausweisen zu müssen. Dafür ist die Registrierung bei einem speziell eingerichteten Portal Voraussetzung. Obwohl das System seit dem Wochenende einsatzbereit sei, sieht Sobjanin vorerst von der flächendeckenden Einführung ab. Aber er behält sich vor, gegebenenfalls die Maßnahme sofort umzusetzen.
An der Realisierbarkeit dieses Vorhabens bestehen keine Zweifel. Die Digitalisierung der Moskauer Behörden und im Bankensektor ist in den vergangenen Jahren weit vorangeschritten, Pilotprojekte zur Gesichtserkennung laufen selbst in der Metro. Über 170 000 Videoüberwachungskameras halten Bewegungsabläufe auf den Straßen fest. Dadurch wurden schon vor Wochen, als nur Rückkehrer aus dem Ausland zur Selbstisolation verpflichtet waren, Menschen beim Verlassen des Hauses fixiert und von der Polizei zurückgebracht. Wer an Covid-19 erkrankt ist, aber nur geringe Symptome aufweist und zu Hause bleibt, wird bereits überwacht. Bislang registrierte die Stadt 160 Verstöße.
In der Region Nischnij Nowgorod reagierte man schneller: Am 2. April wurde die elektronische Registrierung zur Generierung von QR-Codes eingeführt. In einer Stellungnahme des Gouverneurs Gleb Nikitin heißt es dazu, das System sei zum Wohl der Bürger gedacht und erlaube es, im Vorfeld einen verbindlichen Plan zum Verlassen des Hauses am Folgetag zu erstellen. Tatarstan führte ein niedrigschwelligeres Überwachungssystem ein. Dort funktioniert die Zustellung der Codes per SMS, da längst nicht alle Menschen über ein Smartphone verfügen. Aus der Hauptstadt Kasan liegen bereits etliche Berichte über Strafen und vorübergehende Festnahmen vor.
Aus Sicht des Datenschutzes sind solche Maßnahmen überaus heikel. Niemand kann garantieren, dass die geforderten Angaben nach Aufhebung der derzeitig geltenden Vorstufe für einen Notstand wieder gelöscht werden. Besonders problematisch ist die Situation in Moskau, wo unzählige Arbeitsmigranten Wohnungen mieten, aber aufgrund der komplizierten Meldevorschriften nicht unter ihrer Wohnadresse leben und sich damit unter Umständen strafbar machen. Insofern liegt es nahe, dass die Behörden die Gelegenheit nutzen werden, um sich einen Überblick zu verschaffen.
ute weinmann