In Moskau greift die Polizei bei Verstößen gegen die Ausgangssperre hart durch
Tagtäglich wartet der Moskauer Stab zur Bekämpfung des Coronavirus mit steigenden Zahlen an Neuinfizierungen in der Hauptstadt auf. Die russische Hauptstadt ist mit 24 324 Infizierten und 176 Toten der Corona-Schwerpunkt des Landes, wo es stand Sonntagmittag 42 853 Infizierte und 361 Tote gibt. Und im gleichen Maß, wie sich die Situation verschlechtert, ertönt von offizieller Seite Kritik am undisziplinierten Verhalten der Bevölkerung. Nach anfänglicher Zurückhaltung der Moskauer Polizeibehörden verhängten diese inzwischen Strafen wegen Verstößen gegen die gebotene Selbstisolation in über 13 000 Fällen. Menschen über 65 Jahre dürfen die Wohnung gar nicht verlassen und selbst ein kurzer Spaziergang ist nicht erlaubt. Auch wenn sich so mancher über die Einschränkungen hinwegsetzt, hält sich ein Großteil an die Vorgaben.
Das orthodoxe Osterfest am Sonntag feierten die meisten Gläubigen zu Hause. Die Kirchen waren die ganze Woche über geschlossen. Foto uw
Das legen auch Trackingdaten nahe, die das russische IT-Unternehmen Yandex für eine ganze Reihe von Großstädten analysiert, um zu ermitteln, wie viele Menschen auf der Straße unterwegs sind. Danach steht Moskau vorbildlich an erster Stelle. An den Wochenenden erreichte das Niveau der Selbstisolation bis zu vier von fünf Punkten, an Werktagen sinkt es regelmäßig ab. Trotz der von Präsident Wladimir Putin ausgerufenen arbeitsfreien Zeit, die noch bis Ende April andauern soll, geht, wer kann und darf, weiterhin seiner Berufstätigkeit nach. Das ist nicht zuletzt eine Frage der sozialen Absicherung, denn Putins Versprechen, Lohnfortzahlungen während der erzwungenen Auszeit zu gewährleisten, bedeutet in der Praxis häufig unbezahlten Urlaub — oder die Entlassung.
Weil die bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus nicht zu greifen scheinen, steht der Staatsapparat unter Rechtfertigungsdruck. Daraus folgen neue restriktive Regeln und Kontrolloptionen, deren praktische Auswirkungen nicht unbedingt der Sache dienlich sind. Seit dem 15. April muss in Moskau bei Fahrten mit der Metro, Bus, Taxi und im eigenen Auto ein zuvor beantragter elektronischer Passierschein vorgelegt werden. Am ersten Tag kontrollierte die Polizei alle Passagiere, was in der Konsequenz an den Eingängen zur Metro zu Menschenaufläufen und Gedränge geführt hatte. Der Stab preist den Erfolg des neuen Systems an, dabei kann das rückläufige Verkehrsaufkommen genau so gut mit anderen Faktoren in Verbindung stehen. So lagen in der der vergangenen Woche alle großen Baustellen still und auch in anderen Branchen mussten Arbeiten vorübergehend eingestellt werden. Im Übrigen steht es auch um die Bewilligung staatlicher Hilfen nicht zum Besten, was selbst Kremlpressesprecher Dmitrij Peskow einräumte.
In den meisten Regionen veranlassten die Gouverneure ebenfalls strikte Kontrollen zur Einhaltung verhängter Einschränkungen. St. Petersburg kündigte mit Moskau vergleichbare Maßnahmen an, im Krasnodarer Gebiet braucht es für Fahrten zwischen verschiedenen Ortschaften eine Sondergenehmigung. Im Murmansker Gebiet und in Karelien wurden ganze Städte und Landkreise abgeriegelt. Das Jüdische Autonome Gebiet und die Region um Astrachan verhängten strenge Einreisevorschriften, während sich die Tschetschenische Republik gleich komplett abschottete, was bei Premierminister Michail Mischustin auf heftige Kritik stieß. Allerdings weichten bereits Mitte April zwei Drittel der Regionen ihre Regelungen zur Eindämmung des Coronavirus wieder auf und erlaubten die Wiederöffnung zeitweise geschlossener Betriebe, darunter auch im Dienstleistungssektor.
Einige wenige Regionen führten die Pflicht zur Selbstisolation gar nicht erst ein oder legten ihren Fokus von Beginn an auf ökonomische und monetäre Unterstützung. Kaliningrad sticht hier besonders hervor. Gouverneur Anton Alichanow will durch die Umwidmung von Teilen des Regionalhaushalts Mittel für Firmenkredite und monatliche Sonderzahlungen von 60 Euro für von Arbeitsverlust Betroffene bereitstellen. Privathaushalte sollen diese Gelder nur in Läden ausgegeben dürfen, die Produkte aus der Region anbieten.
ute weinmann