Ein Seitenwechsler in Haft

Womöglich ist es für einen Investigativjournalisten in Russland gefährlicher, seinen Beruf zugunsten einer Stelle in einer Behörde aufzugeben, als diesen weiter auszuüben. Bei Iwan Safronow lagen zwischen seinem Wechsel zur staatlichen Raumfahrtagentur Roskosmos und seiner Festnahme am 7. Juli jedenfalls nur wenige Wochen. Am Montag legte der ermittelnde Inlandsgeheimdienst FSB eine Anklage wegen Landesverrats vor, worauf bis zu 20 Jahre Haft stehen. Über einen langen Zeitraum hatte der Staatsschutz den 30jährigen bespitzelt. Читать далее

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Ein Referendum für Putin

Offiziellen Angaben zufolge stimmten knapp 78 Prozent der Wählerinnen und Wählern den vom russischen Präsidenten Wladimir Putin bereits besiegelten Verfassungsänderungen zu. Diese sichern Putin die Möglichkeit, bis 2036 im Amt zu bleiben, könnten aber auch einen Machttransfer vorbereiten.

Eine Woche lang hatte die russische Bevölkerung die Gelegenheit, ihre Zustimmung zu den Änderungen der russischen Verfassung zu bekunden. So unverhohlen formulierte es die offizielle Website der Stadt Moskau, auf der sich die Wahlberechtigten in der Hauptstadt für die elektronische Stimmab­gabe anmelden konnten. Auch in der Region Nischnij Nowgorod war dies erstmals möglich, ansonsten wurde per Stimmzettel gewählt. In den Wahllokalen wurden Teilnehmende vielerorts mit kostenlosen warmen Mahlzeiten und Lotteriepreisen für die Ausübung ihrer Bürgerpflicht belohnt. Trotz dieser fast schon traditionellen Begleiterscheinungen verlief bei dieser Volksabstimmung vieles anders als gewohnt.


Nicht »unsere«, sondern »seine«, also Putins Verfassung: Werbung für das Verfassungsreferendum in Sankt Petersburg. Foto uw Читать далее

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In den Öl- und Gasregionen

Hinsichtlich der Fallzahlen liegt Russland mit über 700 000 gemeldeten Corona-Infektionen weltweit auf Platz vier hinter den USA, Brasilien und Indien. Moskau entwickelte sich schnell zum Hotspot, während sich in manchen entlegeneren Landesteilen erst mit großer Verzögerung ein signifikanter Anstieg bemerkbar machte. Das Gesundheitsministerium gibt als entscheidenden Faktor für eine Abmilderung der Epidemie die Zerstreutheit der Bevölkerung und ihre vergleichsweise niedrige Mobilität an. Bei der Betrachtung der Gebiete mit hohen Infektionsraten fällt zunächst auf, dass auf die Hauptstadt einschließlich Umland und St. Petersburg die Region um Nischnij Nowgorod folgt, die im weiteren Sinne zum Moskauer Einzugsgebiet gerechnet werden kann. Читать далее

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Der Folterverdacht ist irrelevant

Im Petersburger »Netzwerk«-Fall wurden zwei Antifaschisten zu sieben und fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Sie gehen in Berufung.

Vermutlich war es keine Absicht, bitter stößt es dennoch auf. Ausgerechnet am 22. Juni, dem Jahrestag des Überfalls von Nazideutschland auf die Sowjetunion, verurteilte ein russisches Militärgericht zwei Antifaschisten zu Haftstrafen von sieben und fünfeinhalb Jahren. Wiktor Filinkow und Julij Bojar­schinow wurden für schuldig befunden, der terroristischen Gruppe »Netzwerk« anzugehören. Während Filinkow seine Schuld stets abstritt, hatte Bojarschinow ein Geständnis abgelegt. Ihm wurde zudem illegaler Besitz gefährlicher Explosivstoffe vorgeworfen, weil die Polizei bei ihm 400 Gramm Schwarzpulver sichergestellt hatte. Die Anklage hatte neun und sechs Jahre Freiheitsentzug gefordert.


Immer Ärger mit den Handschellen. Unterstützer der Angeklagten vor dem Gerichtsgebäude in Sankt Petersburg, 22. Juni. Foto uw
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Drei-Prozent-Sascha auf dem Weg zur Wiederwahl

Vergangene Woche wurde der aussichtsreichste Herausforderer des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko festgenommen. Dagegen gab es Proteste.

Noch vor zwei Monaten trat Alexander Lukaschenko gewohnt souverän auf. Schließlich bekleidet der 65jährige den Posten des belarussischen Präsidenten schon seit 1994, was ihn zu einem der dienstältesten Staatsoberhäupter weltweit macht. Im kommenden August sind alle Wahlberechtigten des knapp zehn Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Landes aufgefordert, ihm ihre Zustimmung für seine sechste Amtszeit auszusprechen. Faire und anständige Wahlen hatte der für seine endlosen Monologe bekannte Lukaschenko großspurig versprochen. Aber je näher der Wahltermin rückt, desto mehr Nervosität legt er an den Tag. Egal wie die Stimmenverteilung am Ende auf dem Papier ausfällt — sein Stern beginnt allmählich zu sinken. Читать далее

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»Wollen sie in SO einem Land leben?«

In Russland beginnt am Donnerstag die Abstimmung über die geplanten Verfassungsänderungen

Seit Anfang Juni stellt sich Sergej Desnitskij unweit des Moskauer Stadtzentrums zweimal pro Woche an einen belebten Ort. Während der Corona-bedingten Ausgangsbeschränkungen wurden elektronische Passierscheine für private Zwecke nicht öfter ausgestellt und nun belässt er es bei dem Rhythmus. In der Hand hält der 20 Jahre alte junge Mann mit blonden Locken ein selbstgemaltes Plakat. Auf diese Weise hat er schon im Herbst und Winter auf die Strafverfolgung von Protestierenden aufmerksam gemacht, jetzt formuliert er meist eine kurze Frage, wie beispielsweise »Wollen sie in SO einem Land leben?«.

Im Anschluss legt er auf der Onlineplattform Facebook ausführlich die Reaktionen der Vorbeigehenden dar. Neulich etwa stand auf dem weißen Papier »Ich will nicht unter einem ewigen Putin leben. Und Sie?« Viele hätten beim Lesen große Augen gemacht. »Früher habe ich bei meinen Einpersonen-Kundgebungen keine Angst in den Augen der Leute gesehen«, sagt Desnitskij. Womöglich schrecke sie die Erwähnung von Putin ab. Jedenfalls sei ihm aufgefallen, dass viele ihre Schritte beschleunigten und schnell das Weite suchten.


Im Wahllokal in der Bibliothek von Vyborg herrscht am ersten Wahltag mäßiger Betrieb. Foto uw Читать далее

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Lücken und Widersprüche

Sieben und fünfeinhalb Jahre Haft – so lautet das Urteil gegen zwei Antifaschisten in St. Petersburg. Das zuständige Militärgericht befand Wiktor Filinkow und Juli Bojarschinow am Montag für schuldig, einer vermeintlichen Terrororganisation anzugehören. Das sogenannte Netzwerk habe, so die Anklage, aus mehreren Zellen bestanden und sei mit dem Ziel gegründet worden, die verfassungsrechtliche Ordnung zu stürzen. In Pensa endete bereits im Februar ein Prozess gegen sieben weitere junge Männer mit hohen Haftstrafen zwischen sechs und achtzehn Jahren. Einige von ihnen sollen an einem konspirativen Treffen in St. Petersburg teilgenommen haben, bei dem ein Protokoll angefertigt worden sei, das im Verfahren als eine der wesentlichen Grundlagen diente.

Die Beweisführung liess jedoch zu wünschen übrig. Читать далее

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Urteil im Fall »Netzwerk«

Politische Strafjustiz richtet weniger über begangene Taten als über die Gesinnung. Am Montag fiel in St. Petersburg das Urteil gegen zwei Antifaschisten im »Netzwerk«-Fall. Sieben und fünfeinhalb Jahre Freiheitsentzug verhängte das zuständige Militärgericht gegen Viktor Filinkow und Julij Bojarschinow bei einer möglichen Höchststrafe von zehn Jahren. Beide sollen einer terroristischen Zelle angehört haben, die in Verbindung zu zwei Gruppen in der Stadt Pensa stand. Dort endete im Februar der Prozess gegen sieben Angeklagte, darunter auch die vermeintlichen Anführer, mit drakonischen Haftstrafen zwischen sechs und 18 Jahren.


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Vielen droht Schicht im Schacht

In der »Volksrepublik Lugansk« streikten Bergarbeiter für die Auszahlung ihrer Löhne

Streik unter Tage gehört zu den extremsten Formen des Arbeitskampfs. Am 5. Juni weigerten sich 119 Bergarbeiter in der ostukrainischen Stadt Antrazyt den Schacht nach Schichtende zu verlassen. Bereits im April forderten die Arbeiter ausstehende Lohnzahlungen ein. Als Zugeständnis erhielten sie eine erste Rate, der Rest, so die Abmachung, sollte Mitte Mai ausgezahlt werden. Stattdessen sahen sich die Kumpel mit einem kurzfristig zu ihren Ungunsten neukalkulierten Lohnsystem konfrontiert und versetzten ihren Ansprüchen daraufhin mit der Streikfortsetzung Nachdruck. Am 13. Juni endete der Ausstand mit einem Teilerfolg.

Bei der Komsomolskaja-Zeche handelt es sich um die größte in der Gegend und beim Vorgehen gegen die Streikenden um eine besonders skandalöse Aktion in der 2014 selbst proklamierten Lugansker Volksrepublik. Читать далее

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Ins Desaster gespart

Bilder aus dem russischen Norilsk zeigen die Folgen einer menschengemachten Umweltkatastrophe: Das intensive Kupferrot steht im deutlichen Kontrast zur graubraunen Umgebung und schneebedeckten Hügeln. Am 29. Mai liefen über 21 000 Tonnen Diesel aus dem Tank eines Wärmekraftwerks aus. Weil ein Auto unbedacht in die entzündliche Flüssigkeit gefahren war, kam es zu einem Brand, der schnell und ordnungsgemäß gelöscht wurde. Die Nachricht verbreitete sich von einer Behörde zur anderen, bis sie zwei Tage später den Kreml erreichte. Da waren bereits 6000 Tonnen im Boden versickert. Den Rest versuchen Rettungsdienste in den umliegenden Gewässern zu lokalisieren. Читать далее

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