Putins Personal

Ölmilliardär Chodorkowski im Gefängnis

»Putin leitet zweite Amtszeit ein.« Damit schmückte sich die Titelseite der Tageszeitung Izvestija am Samstag. In der Tat zeichnen sich keine vier Monate vor den im Frühjahr anstehenden Präsidentschaftswahlen weniger die Konturen einer neuen Politik ab als vielmehr die definitive Beendigung einer alten Ära.

Diese zeichnete sich in erster Linie dadurch aus, dass sich ein erlesener Kreis superreicher Oligarchen Hand in Hand mit der damaligen politischen Führung des Landes so genanntes Volkseigentum aneignete und dem Vorgang einen Schein von Legalität verpasste. Dem konnte in Russland eine Zeit lang niemand ernsthaft etwas entgegensetzen, und der Westen fand daran schnell Gefallen. Es musste jedoch damit gerechnet werden, dass früher oder später in einem Land mit einer extrem ausgeprägten bürokratischen Machtkultur deren Vertreter aufbegehren.

Die nach der effektvollen Stürmung des Privatflugzeuges von Russlands reichstem Kapitalisten, Michail Chodorkowski, und seiner anschließenden Verhaftung ausgewalzte Affäre um den Ölkonzern Yukos war in gewisser Weise vorherzusehen. Es wäre falsch, dies als Anzeichen für die Revision der »wilden« Privatisierungen der neunziger Jahre zu deuten. Deutlich wird daran lediglich, wie erpressbar gerade die damaligen Profiteure letztlich sind. Wenn sie sich politisch zu weit aus dem Fenster lehnen oder wie Chodorkowski gar andeuten, zu den Präsidentschaftswahlen 2008 antreten zu wollen, werden ihr Reichtum und die Art, wie er zustande kam, gegen sie verwendet. Politische Ambitionen darf nur anmelden, wer über keine auch nur annähernd realistischen Wahlchancen verfügt.

Seit geraumer Zeit wurde der Handlungsspielraum für die Vertreter alter Jelzinscher Familieninteressen immer enger. Als Paradebeispiel für jene Kreise galt der mittlerweile ehemalige Kremlstabschef Alexander Woloschin, dem der Ruf vorauseilt, über ein ausgeprägtes Geschick für politische Intrigen zu verfügen. Dies und sein großer Rückhalt in Kapitalkreisen ermöglichte ihm lange Zeit, seinen Posten selbst unter dem wachsendem Druck der neuen Petersburger Kreml-Generation aus dem Apparat des KGB-Nachfolgers FSB zu halten.

Dass die Verhaftung des Yukos-Chefs Chodorkowski vonstatten ging, ohne dass Woloschin vorher davon in Kenntnis gesetzt wurde, leitete dessen endgültigen Abgang aus dem Kremlapparat ein. Zu seinem Nachfolger wurde Dmitri Medwedjew ernannt, der seit Jahren als potenzieller Nachfolger für das Amt des Stabschefs im Gespräch ist. Er stammt aus dem Teil des Petersburger Umfelds von Wladimir Putin, das nicht der KGB-Fraktion zuzuordnen ist, und gilt als loyaler und verschwiegener Bürokrat. Von außen betrachtet, stellt Medwedjew eine liberale Figur dar, aber im russischen Machtapparat ist das jeweilige offizielle Amt weniger von Bedeutung als der Kreis einflussreicher Personen, auf die sich die jeweilige Figur stützt.

Es ist damit zu rechnen, dass weniger Medwedjew selbst als vielmehr sein Stellvertreter Dmitri Kozak politisches Profil gegenüber der FSB-Fraktion zeigen wird. Doch was in den der Öffentlichkeit verschlossenen Kremlkorridoren vor sich geht, ist schwer einzuschätzen; sicher ist aber eines: Die in Fernsehumfragen, also dort, wo das so genannte einfache Volk zu Wort kommen darf, geäußerten Hoffnungen, die Yukos-Milliarden würden jetzt zugunsten der Bevölkerung umverteilt werden, stammen aus dem Reich der frommen Wünsche.

Ute Weinmann

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