Mahnwachen und Milizionäre

Die Beteiligung war für russische Verhältnisse hoch. Mehr als 1 000 Menschen versammelten sich in Moskau am Dienstag der vergangenen Woche, um des Mordes an Stanislaw Markelow und Anastasija Baburowa ein Jahr zuvor zu gedenken. Beide hatten sich in verschiedenen sozialen und politischen Bewegungen engagiert, auch gegen die eskalierende rechtsextreme Gewalt, der in Russland jährlich Dutzende von Menschen zum Opfer fallen. Auch die Mörder von Stanislaw Markelow und Anastasija Baburowa stammen offenbar aus der Neonaziszene, zwei Tatverdächtige sitzen in Untersuchungshaft, weitere sind zur Fahndung ausgeschrieben. Die Veranstalter riefen nicht zu einer wiederholten Mahnwache auf, sondern zum Protest gegen den Terror der Neonazis. Dass dem Aufruf in Moskau, wo politische Kundgebungen in der Regel nur von einer kleinen Anzahl eingefleischter Oppositioneller und Menschenrechtler besucht werden, so viele Menschen folgten, liegt nicht zuletzt am Veranstaltungskonzept. Das Komitee 19. Januar, ein kurzfristig gegründetes Bündnis linker, anarchistischer, antifaschistischer und liberaler Gruppen, verzichtete bewusst auf die gewohnte politische Symbolik und gewann die Unterstützung bekannter Kulturschaffender.

Die Moskauer Behörden hatten es wie üblich zunächst abgelehnt, eine Demonstration zu genehmigen. Erst nachdem sich der Menschenrechtsbeauftragte Vladimir Lukin in die Verhandlungen eingeschaltet hatte, kam ein Kompromiss zustande, zwei Mahnwachen am Anfangs- und Endpunkt der geplanten Demonstration wurden gestattet. Diese versuchte die Miliz zu verhindern, was ihr trotz der insgesamt etwa 70 kurzzeitigen Festnahmen mehr schlecht als recht gelang. Nachdem die Ordnungshüter die Abschlusskundgebung vorzeitig beendet hatten, eskalierte die Situation. Dennoch fiel die Resonanz in der Öffentlichkeit unerwartet positiv aus.

Ute Weinmann

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