Der Kalte Krieg lässt grüßen

Die russische Regierung reagiert auf Kritik aus den USA an Menschenrechtsverletzungen in Russland mit diskriminierenden Gesetzen gegen ausländische Staatsbürger.

Menschenrechte und Forderungen nach deren Einhaltung rangieren auf der Prioritätenliste von Regierungen meist auf den untersten Plätzen. Umso größerer Beliebtheit erfreuen sie sich in der zwischenstaatlichen Kommunikation, wenn es gilt, eine andere Regierung in die Schranken zu weisen. Vor dem Hintergrund des im Dezember vom US-Senat nach mehrjährigem Vorlauf verabschiedeten »Magnitsky Act« liefert Russland sich derzeit mit den USA eine stellenweise absurd anmutende Auseinandersetzung, bei der sich beide Seiten auf die Menschenrechte berufen.

Im November 2009 starb der Jurist Sergej Magnitskij in einem Moskauer Untersuchungsgefängnis. Offiziell lautete die Todesursache Herzversagen, doch liegen Hinweise auf Misshandlungen und unterlassene medizinische Hilfeleistung vor. Magnitskij beriet den in Moskau ansässigen Ableger des US-Investmentfonds Hermitage Capital Management und deckte die Verwicklungen von Beamten des russischen Innenministeriums in einen Betrug auf, bei dem es um mehrere Millionen Euro ging. Gegen den Investmentfonds und dessen Berater wurde ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet, wobei nach Angaben der Ermittler Magnitskij eine Schlüsselrolle bei der durch illegale Praktiken zur Steuersenkung erwirkten Gewinnmaximierung spielte.

Der Tod des Juristen veranlasste die USA nun zu einem Einreiseverbot für in den Fall Magnitskij involvierte russische Beamte. Gleichzeitig schaffte US-Präsident Barack Obama die seit 1974 geltende umstrittene Jackson-Vanik-Klausel ab, die Russland in seinen Handelsbeziehungen zu den USA gegenüber anderen WTO-Mitgliedern benachteiligte. Trotz dieser Geste quittierte die russische Führung den Vorstoß aus den USA im Stil des Kalten Krieges. Schließlich, so der russische Präsident Wladimir Putin, werde auch in US-Gefängnissen gestorben, nur hänge Russland das nicht an die große Glocke. Aber auch Russland beruft sich nun auf die Menschenrechte.

Am vergangenen Freitag unterzeichnete Putin das von der Duma mit nur wenigen Gegenstimmen verabschiedete »Gesetz über Maßnahmen zur Einwirkung auf Personen, die an grundlegenden Verstößen gegen Rechte und Freiheiten von Menschen, Rechte und Freiheiten von Bürgern der Russischen Föderation beteiligt sind«. Dahinter versteckt sich ein Verbot für US-Staatsbürger, russische Waisenkinder zu adoptieren. In den vergangenen 20 Jahren starben in den USA 19 aus Russland adoptierte Kinder – während in Russland die durch Adoptiveltern verursachten Todesfälle nach Schätzungen bei weit über tausend liegen. Eine Statistik darüber existiert nicht. Noch vor der Verabschiedung rief das Gesetz in der russischen Öffentlichkeit Empörung hervor, die Zeitung Novaya Gazeta sammelte innerhalb kürzester Zeit über 100 000 Unterschriften gegen das Adoptionsverbot und selbst einige Minister hielten sich nicht mit ihrer Kritik zurück. Nun soll sich die Situation von Waisen eines ebenfalls am Freitag unterzeichneten Dekrets des Präsidenten zufolge deutlich verbessern. Probleme kommen allerdings auf jene NGOs zu, die Fördergelder aus den USA beziehen. Als eine Art Ergänzung zu dem seit November gültigen Gesetz gegen »ausländische Agenten« können die weiteren Bestimmungen der russischen Antwort auf den Magnitsky Act gelesen werden.

Russische Bürger mit amerikanischer Staatsbürgerschaft dürfen in Russland von nun an keine leitenden Posten mehr in Organisationen einnehmen, deren Tätigkeit als »politisch« eingestuft wird. Eine Finanzierung aus den USA führt zudem zu deren Verbot. Der Begriff »politisch«, so die Befürchtung, erfährt in seiner Deutung eine entscheidende Erweiterung auf Maßnahmen zur Sicherung grundlegender Bürgerrechte. Somit fielen unter das neue Gesetz missliebige Menschenrechtsorganisationen, die ohne eine Finanzierung aus den USA kaum in der Lage sind, ihre im Kreml wenig geschätzte Arbeit zu leisten, ob in Tschetschenien, in russischen Gefängnissen oder bei den ohnehin erst für 2018 geplanten nächsten Präsidentschaftswahlen.

Ute Weinmann

http://jungle-world.com/artikel/2013/01/46871.html

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