Der Einfluss Russlands in der Ostukraine ist unverkennbar. Um die Probleme der dortigen Bevölkerung kümmert sich jedoch niemand.
Wird im Osten der Ukraine gewählt, dann gerne auf russische Art. Oder auch auf tschetschenische, denn die Führung der kleinen Kaukasusrepublik hat ihre Lektion seinerzeit gelernt und lässt nur noch mit Vorzeigeergebnissen und einer überdurchschnittlich hohen Wahlbeteiligung abstimmen. Die Donezker und Lugansker Region haben mit ihren international nicht anerkannten Referenden eine vermeintlich hohe Zustimmung für die Loslösung von Kiew demonstriert und damit ihren ersten Test bestanden. Die beiden neuen, per Blitzabstimmung bestätigten sogenannten Volksrepubliken wollen sich an Russland wenden mit der Bitte um Eingliederung, aber der Kreml zeigt sich desinteressiert, den ukrainischen Osten nach Vorbild der Krim einzuverleiben.
Vielmehr bringen die provisorischen neuen Staatengebilde als unberechenbare Störenfriede auf absehbare Zeit allen prorussischen, oder besser gesagt allen der Kiewer Zentralregierung gegenüber kritischen Akteuren wesentlich mehr Nutzen. Die russische Regierung besteht auf einem direkten Dialog der ukrainischen Führung mit den Föderationsanhängern, so der russische Sprachgebrauch. Gegenüber Separatismusbestrebungen im eigenen Land ist die Toleranz dagegen deutlich geringer. Wer in Russland öffentlich zu Handlungen aufruft, die die staatliche Integrität des Landes in Frage stellen, macht sich seit dem 9. Mai strafbar. Zu den weiteren Aufgaben der Volksrepubliken gehört nun die Behinderung der für den 25. Mai angesetzten Präsidentschaftswahlen, zumindest im eigenen Einflussgebiet. Darüber dürfte sich auch Julia Timoschenko freuen, die in Umfragen weit hinter dem Favoriten der Wahlen, dem Schokoladen-Oligarchen Pjotr Poroschenko, liegt, ihren Rückstand jedoch zusehends verringert. Ihre Chancen steigen mit jeder Verzögerung der Wahlen.
Bislang übte sich die russische Führung in der Ostukraine in Zurückhaltung, zumindest legte sie Wert darauf, sich in der Frage der separatistischen Volksrepubliken nicht durch offensichtlich aus Russland eingesetzte Kader zu kompromittieren. Deshalb verwundert die Ernennung des neuen Ministerpräsidenten der selbsternannten Donezker Volksrepublik umso mehr. Alexander Borodaj ist nicht nur russischer Staatsbürger, sondern aus Moskau stammender PR-Spezialist, der unter anderem als Berater an der Übernahme der Krim beteiligt war und sich die vergangenen Jahre hauptsächlich mit der Ukraine beschäftigt hat. Zu seinen Hauptauftraggebern zählte der rechtskonservative russisch-orthodoxe Oligarch Konstantin Malofejew, der dem russischen Staat als aufrichtiger Patriot finanziell und mit allerlei Know-how zur Seite steht. In der Ukraine kooperierte Borodaj unter anderem auch mit dem derzeitigen aus Kiew eingesetzten Gouverneur von Dnepropetrowsk Igor Kolomojskij.
In seinem eigenen Internetfernsehprojekt preist Borodaj die starke russische Bürokratie als Gegengewicht zur ukrainischen zügellosen Oligarchie. Konkrete Fragen hinsichtlich Rentenzahlungen, der Subventionierung des angeschlagenen Bergbaus und dessen Zukunft, ob als Teil von Russland oder als unabhängige Volksrepublik, sind in Donezk hingegen tabu. Darin liegt die eigentliche Tragödie, denn die Belange der vor dem wirtschaftlichen Abgrund stehenden Bevölkerung in der Ostukraine nimmt niemand wirklich ernst.
Ute Weinmann
http://jungle-world.com/artikel/2014/21/49906.html