In Moskau wurden mehrere Mitarbeiter für Cybersicherheit des Geheimdienstes FSB festgenommen. Womöglich halfen sie jahrelang E-Mails von hochrangigen russischen Beamten zu veröffentlichten.
Wenn jede private E-Mail von russischen, US-amerikanischen oder sonstigen Geheimdiensten und ihnen zuarbeitenden neugierigen Hackern gelesen werden kann, ist es eine Genugtuung, die offengelegte Korrespondenz von Wladislaw Surkow oder Dmitrij Medwedjew auf dem Präsentierteller vorzufinden. Was der Kreml-Stratege und der russische Ministerpräsident im Netz treiben, dürfte zudem wesentlich relevanter sein. Die ukrainische Hackergruppe »Cyberjunta« hatte Korrespondenzen veröffentlicht, die nahelegen, dass die russische Regierung den Aufstand in der Ostukraine 2014 gesteuert hat. Der Haken daran ist, dass die Veröffentlichung des E-Mail-Verkehrs hochrangiger Staatsvertreter illegal ist.
Als der Skandal um die mögliche Einmischung Russlands in den US-Präsidentschaftswahlkampf öffentlich wurde, wies die russische Führung den Verdacht erwartungsgemäß von sich. Präsident Wladimir Putin reagierte beinahe persönlich betroffen und befand, über den Inhalt der veröffentlichten Dokumente solle diskutiert werden. Die Frage, wer sie beschafft habe, sei dabei zweitrangig. Was so kategorisch klingt, besitzt jedoch keine Allgemeingültigkeit. Jedenfalls nicht, wenn es um russische Interessen geht.
Im Herbst vergangenen Jahres erfolgte in Moskau eine Reihe von Festnahmen, von denen die Medien erst im Januar erfuhren. Von diversen Informanten gab es verschiedene Versionen über die Vorgänge. Offenbar war der Kopf der »Anonymen Internationale«, einer auch als »Schaltaj-Boltaj« bekannen Hackergruppe, festgenommen worden. Seit Monaten versorgte die Gruppe die russische Öffentlichkeit mit aufschlussreichen Hinweisen über die Funktionsweise des russischen Staatsapparates. Jeder, der es wissen will, weiß jetzt, wer als Bargeldträgerin für desinformierende Kreml-Trolle fungierte, und hat eine klarere Vorstellung davon, wie die Destabilisierung der Ukraine von Moskau aus vorangetrieben wurde.
All das war dem FSB natürlich bekannt. Einer der leitenden Angehörigen im Bereich Informationssicherheit, Sergej Michailow, wusste außerdem längst, aus welchen Personen sich die »Anonyme Internationale« zusammensetzte. Er habe sie, so heißt es, getroffen, aber nicht festnehmen lassen. Angeblich ist Michailow zeitweise Patron der Hackergruppe gewesen und könnte sie sogar mit Informationen gefüttert haben.
Gegen ein Honorar, oft aber auch mit der Drohung eines Strafverfahrens, ließ Michailow eine Gruppe hochklassiger IT-Experten für den FSB arbeiten. Im Visier standen Oppositionelle, aber auch kommerzielle Interessen kamen nicht zu kurz. Über »Schaltaj-Boltaj« sollen zudem womöglich gezielt Informationen zur Diskreditierung einzelner hochrangiger staatlicher Akteure gestreut worden sein. Wo die Wahrheit aufhört und die Falschmeldung beginnt, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Fest steht jedoch, dass Michailow selbst festgenommen wurde, kurz nachdem die USA Russland der Einmischung in den Wahlkampf bezichtigt hatten. Ihm und zwei weiteren des Landesverrats Verdächtigen drohen wegen angeblicher Kontakte zur CIA hohe Haftstrafen. Zwei Mitglieder der »Schaltaj-Boltaj« haben sich auf einen Deal mit den Ermittlern eingelassen und werden in absehbarer Zeit wieder auf freiem Fuß sein.
Mit einer neuen spannenden Staffel anonym lancierter Korrespondenzen von Personen mit Rang und Namen dürfte nicht so bald zu rechnen sein. Nicht einmal die bevorstehenden Gerichtsprozesse werden viel Neues bringen. Die delikatesten Aufdeckungen der Hackergruppe bleiben ausgespart und über den Verrat von Staatsgeheimnissen wird grundsätzlich nicht öffentlich verhandelt.
ute weinmann