Jewgenija Magurina ist kein Top-Modell. Wäre sie eines, würde sich wohl niemand darüber wundern, dass die Höhe ihrer Entlohnung vom Körpergewicht und der Statur abhängt, und nicht anhand ihrer langjährigen Berufserfahrung als Flugbegleiterin bemessen wird. Bei der russischen Fluggesellschaft Aeroflot, ihrem Arbeitgeber, ist, ohne dies vertraglich festzuhalten, ab Konfektionsgröße 40 und 40 Jahren Schluss mit lustig. Die Einschränkung gilt faktisch nur für jene weiblichen Angestellten, etwa 400 an der Zahl, deren Äußeres einen Einsatz auf den deutlich besser bezahlten Auslands- und Langstreckenflügen laut interner Regelungen nicht mehr zulässt. Stattdessen müssen sie sich damit begnügen, von einem zum nächstgelegenen wenig attraktiven Ort in der russischen Pampa zu jetten.
Im Juni vorigen Jahres wurde die 41jährige Jewgenija Magurina zum Fototermin zitiert. Zwei Monate später änderte sich schlagartig ihr Flugplan, ihr Gehalt schrumpfte um ein Drittel, Prämien wurden gekürzt. Ihr Chef beanstandete ihre Pausbacken und riet ihr dazu, wegen des üppigen Busens einen Sport-BH zu tragen. Zusammen mit einigen Kolleginnen reichte sie im Februar eine Klage wegen Diskriminierung am Arbeitsplatz ein. Für die Gerichte ist das ein Fremdwort, die Aeroflot bringt für derartig banale Vorwürfe ebenfalls kein Verständnis auf. Die Schöngeister in der Leitung schweben branchenbedingt in völlig anderen Sphären und verstehen sich offenbar vielmehr als über die Erde fliegende exklusive Modelagentur für anspruchsvolle Kunden.
Aber am Boden arbeiten Angestellte, die im Rechnen versiert sind. Einer hat sich die Mühe gemacht für den Gerichtsprozess zu berechnen, welche Kosten so ein überflüssiges Kilogramm Körperfett eines Crewmitglieds verursacht: satte 759 Rubel pro Jahr, das sind über 12 Euro. Hochgerechnet auf 400 Frauen, die womöglich nicht nur ein Pfund zu viel auf die Waage bringen, ergeben sich astronomische Summen! Vollbusige und pausbäckige Flugbegleiterinnen können demnach ganze Volkswirtschaften zugrunde richten. Aeroflot ist schließlich nicht irgendeine Fluggesellschaft, sondern das Flaggschiff eines riesengroßen Landes. Vielflieger, aufgepasst! Nur auf ihren eigenen Vorteil bedachte Flugbegleiterinnen haben es ans Licht gebracht: Aeroflot muss an jedem Gramm sparen. Echte Patrioten sollten vor jedem Flug also mindestens einen Diättag einlegen.
ute weinmann