Bei so manchem aufgekratzten russischen Fan wird man den Eindruck nicht los, dass er seine in den Nationalfarben gehaltene Schminke tagelang nicht vom Gesicht wäscht. Nach dem Sieg über Spanien wird diese Tendenz wohl noch eine Weile anhalten.
Aber solange sie hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt sind oder vor den Augen eines Polizisten eine Lampe in der Metro zertrümmern will ich mich gar nicht beschweren. Das wäre ohnehin zwecklos.
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Doch das Ärgerlichste an der Fankultur ist und bleibt die Interaktion mit Unbeteiligten. Nicht alle Menschen haben schließlich ein Faible für Fußball, lautes Gegröle, Feuerwerke um drei Uhr morgens oder verdienen am während der WM immens gestiegenen Bierkonsum. Und rechten Hooligans will sowieso niemand über den Weg laufen der halbwegs bei Verstand ist, auch jetzt nicht, während der sicheren Spiele. Abseits von den mit Polizei und Nationalgarde gespickten Fanmeilen tummeln sie sich und warten auf eine Gelegenheit ihrer Aggression freien Lauf zu lassen. Vor einigen Tagen zogen einige Dutzend Zenit-Hools «White Power!» rufend durch St. Petersburgs Innenstadt. An sich nichts ungewöhnliches.
Am Sonntag gegen Abend versammelten sich wenig sympathisch aussehende junge Männer in einem Park gegenüber der Moskauer Synagoge. Einige sind aufgrund ihrer Kleidung und einschlägigen Tattoos leicht als eindeutig rechtslastige Fans der Fußball-Clubs Spartak und CSKA auszumachen. Sie suchen Streit. Im Park hängen neben ein paar unauffälligen Männern mittleren Alters überwiegend Jugendliche mit bunt gefärbten Haaren ab, die sich größtenteils in eine Ecke verziehen, als die Hools ihre Macker-Allüren spielen lassen. Mit den harmlos aussehenden Teenies glauben sie wohl eine leichte Beute aufgespürt zu haben, denn jene sind es ganz offensichtlich nicht gewohnt physischer Gewalt mit Gegenwehr zu trotzen. Später erzählte mir ein völlig aufgelöster Queer-Teenager, er habe ohne Vorwarnung einen Schlag ins Gesicht verpasst bekommen. Jemand anderer will gesehen haben, wie die Hools mit Blick auf die Synagoge zum Hitlergruß angesetzt hatten.
Um dem Spuk ein Ende zu bereiten, suchen die Jugendlichen Schutz hinter einem Treppengeländer. Sie beschließen einen Emissär zu den Hools zu schicken, die sich an der der Synagoge zugewandten Parkmauer räkeln. Fehlschlag. Der Emissär kassiert eine grobe Absage und macht sich dann gemeinsam mit einigen anderen auf die Suche nach der Polizei. Die hat sich im Park die letzten Tage rar gemacht. Nach einer Weile tauchen zwei Uniformierte mit Schlagstock auf und beginnen ein Gespräch mit ein paar Hooligans, während der Rest sich aus Sichtweite begibt. Eine Treppe führt hinunter zu einem Platz, der Skatern als Übungsfläche dient. Ein Typ in Trainingshose und schwarzem T-Shirt mit der Aufschrift Spartak auf dem Rücken provoziert einen Skater mit in Rottönen gefärbten Dreadlocks. Es entsteht eine Schlägerei zwischen beiden, der offenbar selbst kampferprobte Skater lässt sich nichts gefallen und packt den Angreifer mit seinen starken Armen am Hals.
Die Polizei führt schließlich beide Beteiligten ab. Sie hätten keine Ressourcen, um den Park ständig im Auge zu behalten. Sichere Spiele haben eben ihren Preis. Sobald die Uniformierten außer Reichweite sind gehen die rechten Hool wieder ihrem gewohnten Zeitvertreib nach. Die Teenies treten ihrerseits die Flucht an und laufen in Richtung Metrostation wohl in der Hoffnung, dort den einen oder anderen Polizisten vorzufinden. Ein befreundeter Antifa schüttelt den Kopf und sagt lakonisch, sie müssten eben lernen sich zur Wehr zu setzen.
ute weinmann