Antifas ziehen Aussage zurück

Foltervorwürfe gegen russischen Inlandsgeheimdienst FSB

Im Oktober 2017 vermeldete der russische Inlandsgeheimdienst FSB, er habe in der Stadt Pensa ein Terrornetzwerk aufgedeckt, das eine Reihe von Anschlägen geplant habe. Unter anderem während der Fußball-Weltmeisterschaft. Damals erregte diese Nachricht kaum Aufmerksamkeit. Dabei irritiert nicht nur der Umstand, dass die Vorwürfe auf nach den Festnahmen erfolgten Schuldeingeständnissen basieren, sondern auch der politische Hintergrund der vermeintlichen Terroristen. Alle elf jungen Männer, gegen die sich die Ermittlungen richten und die sich bis auf einen von ihnen in St. Petersburg und Pensa in Untersuchungshaft befinden, gehören der antifaschistischen Szene an oder bezeichnen sich als Anarchisten.

In der vergangenen Woche nahm Arman Sagynbajew, dessen Festnahme im November 2017 in St. Petersburg erfolgte, seine Erstaussage zurück. Als Grund gab er an, dass er unter Folter gezwungen worden sei, sich und andere zu belasten und sich bislang nicht in der Lage sah, den Ermittlern zu widersprechen. Sein Anwalt reichte daraufhin Rechtsmittel ein, um den Foltervorwürfen gegen namentlich nicht bekannte Personen nachzugehen und gegebenenfalls Strafermittlungen einzuleiten. An einige äußeren Merkmale, einschließlich des Spitznamens eines seiner Peiniger, die sich als FSB-Angehörige ausgegeben hatten, kann sich Sagynbajew erinnern.

Während der Fahrt in einem Kleinbus nach Pensa befestigte jener blauäugige Mann Drähte an Sagynbajews Daumen beider Hände, deren anderes Ende aus einer braunen Schachtel hervorragten, was Sagynbajew nur durch das Gewebe des Stoffbeutels auf seinem Kopf erkennen konnte. Es folgten Fragen nach Namen, der Herstellung von Sprengmaterial und anderen Details. »Wenn diese Personen meine Antwort nicht zufriedenstellte, schlugen sie mir auf den Kopf und jagten solange Stromstöße durch meinen Körper, bis ich die Antworten gab, die sie hören wollten«, heißt es in seiner Erklärung an die zuständige Instanz. Außerdem hätten die Männer damit gedroht Sagynbajews Freundin zu vergewaltigen und ihm die Hände abzuhacken. Die Misshandlungen dauerten nach Sagynbajews Schätzungen bis zu vier Stunden an. Aus Angst um sein Leben und seine Gesundheit machte er in Pensa die von den Ermittlern gewünschten Aussagen und belastete insbesondere Dmitrij Ptschelinzew, der das Netzwerk angeführt haben soll.

Ptschelinzew war ebenfalls direkt nach seiner Festnahme und später in Untersuchungshaft gefoltert worden. Wie auch Viktor Filinkow aus St. Petersburg, der vor kurzem zu Ermittlungszwecken nach Pensa überstellt wurde, zog Ptschelinzew vor einigen Monaten seine anfänglichen Aussagen zurück und versucht seither erfolglos, rechtliche Schritte wegen Folter zu erwirken. »Sie haben mir die Unterhose heruntergezogen, ich lag auf dem Bauch, sie haben versucht die Kabel an meinen Geschlechtsorganen zu befestigen. Ich habe geschrien und darum gebeten, mit den Schikanen aufzuhören. Sie haben weiterhin behauptet: ›Du bist der Anführer‹. Damit sie aufhören zu foltern, habe ich geantwortet: ›Ja, ich bin der Anführer.‹« Am kommenden Dienstag berät das Gericht in Pensa darüber, Strafermittlungen wegen Folter gegen Angehörige des FSB einzuleiten.

ute weinmann

nd

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