Gegen Migration, Ausländer und Minderheiten

Die Forderungen des diesjährigen Russischen Marsches gleichen denen der europäischen Rechten

Der 4. November steht im Zeichen des Russischen Marsches. Wie jedes Jahr will die russische extreme Rechte am Tag der Volkseinheit Stärke zeigen. In vielen Städten sind Aufmärsche angemeldet, auch die Moskauer Behörden erteilten nach mehreren Absagen eine Genehmigung für eine Demonstration im Stadtteil Ljublino, weit entfernt vom Zentrum. Dort versammeln sich an dem Tag traditionell Neonazis und nationalrevolutionäre Gruppierungen, während Nationalpatrioten und rechtskonservative Kräfte ihren Marsch im Westen der Stadt abhalten. In den vergangenen vier Jahren organisierte der Kreml in der Hauptstadt eigene Großveranstaltungen, um Einigkeit zu demonstrieren. Im Bewusstsein vieler Russen ist der Feiertag trotzdem noch nicht angekommen. Alternativ setzt der Staat nun auf kleinere Festivals zum Thema Nationalitätenvielfalt.

Wladimir Ratnikow vom «Schwarzen Block» beim Aufmarsch von 2017. Jetzt sitzt er in U-Haft. Foto uw

Für die russische extreme Rechte ist und bleibt dieses Datum Ausgangspunkt für eine breite Mobilisierung, auch wenn die Zeiten längst vorbei sind, als sie von der Präsidialadministration als vermeintlich steuerbare Masse gerade zu ermutigt worden waren, Präsenz zu zeigen. Der Preis dafür war hoch: Nazibanden verübten jährlich dutzendweise rassistische Morde, aber auch Antifaschisten zählen zu ihren Opfern.

Unter dem Motto »Für einen nationalen und sozialen Staat! Brot und Freiheit für unser Volk!« ist der diesjährige Russische Marsch in Ljublino angekündigt. Der Aufruf kritisiert die staatliche Migrationspolitik und die angeblich massenhafte Vergabe der russischen Staatsbürgerschaft an Migranten aus den ehemaligen Sowjetrepubliken. Dem Organisationskomitee gehören unter anderem das Komitee »Nation und Freiheit« an, die Assoziation Volkswehr, die Nationalrevolutionäre Avantgarde und weitere Gruppen und Bewegungen, die ihre Anhängerschaft in erster Linie unter jungen Menschen finden. Das Komitee »Nation und Freiheit« vereinigt einen Teil der Überreste der 2015 verbotenen Bewegung »Russen«, die lange Zeit für die Durchführung des Russischen Marsches verantwortlich zeichnete und auch hinsichtlich einer ihrer Führungsfiguren, Wladimir Basmanow, für Kontinuität innerhalb der extremem Rechten steht. Basmanow ist der Bruder von Alexander Below, der mit seiner »Bewegung gegen illegale Immigration« jahrelang zu den Frontleuten im nationalistischen Spektrum gehörte und derzeit eine mehrjährige Haftstrafe unter anderem wegen Geldwäsche absitzt.

In Gruppierungen wie der Volkswehr kommen junge Kader zum Zug. Ihr Anführer Dmitrij Karasjow besetzt seit diesem Jahr außerdem das Amt des Sekretärs des Organisationskomitees. Damit nicht genug, versuchte der 23-jährige sich im September in seiner Heimatstadt Schekino im Gebiet Tula als Kandidat bei den Bezirkswahlen — letztlich erfolglos. Der Russische Marsch in Moskau kann nicht mehr an frühere Teilnahmezahlen von über 5000 anknüpfen kann. Im vergangenen Jahr fanden sich am Veranstaltungsort nur wenige Hundert ein. Nachdem die Polizei einige der mitgebrachten Transparente beschlagnahmte, erfolgten Festnahmen und gerade mal 300 Rechte liefen letztlich auf der festgelegten Route bis zur Endkundgebung.

Etliche exponierte Vertreter der russischen extremen Rechten haben sich aufgrund laufender Strafermittlungen ins Ausland abgesetzt oder befinden sich in Haft. Darunter auch Karasjows Vorgänger als Sekretär des Russischen Marsches Wladimir Ratnikow. Komarnizkij, so sein bürgerlicher Nachname, gründete 2015 die Neonazigruppierung »Schwarzer Block«, die er seither anführt. Gegen ihn wird wegen Aufruf zu extremistischen Taten und Massenunruhen ermittelt. Von seiner Festnahme im vergangenen Juni berichtete als erstes die liberale Oppositionspartei PARNAS, deren Mitglied Ratnikow war und in deren Namen er versucht hatte, ein Mandat als Abgeordneter in einem der Moskauer Stadtbezirke zu erringen. Der »Schwarze Block« nahm an zahlreichen Veranstaltungen der Opposition statt, wie beispielsweise bei Protesten gegen Wahlfälschungen oder Kundgebungen des rechten Antikorruptionspolitikers Alexej Nawalny.

Trotz Strafverfolgungen schafft es die extreme Rechte, auf ihre Agenda aufmerksam zu machen. So führten einige der Veranstalter des diesjährigen Russischen Marsches Ende September eine Gedenkveranstaltung an die Opfer der organisierten Ethnokriminalität, so der rechte Jargon, durch. Als Anlass diente der tragische Fall einer Kinderbetreuerin aus Usbekistan, die vor zwei Jahren ein vierjähriges Mädchen getötet hatte. Die Rechten inszenieren sich gern als Opfer. Aber sie sind in erster Linie Täter. Erst in dieser Woche gelangten offenbar recht frische Videos aus dem Darknet an die Öffentlichkeit, auf denen Messerattacken von Neonazis auf Obdachlose zu sehen sind.

ute weinmann

nd

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