Zurück in Afrika

Die russische Gruppe Wagner ist eine der aktivsten internationalen Söldnertruppen. In der Zentralafrikanischen Republik und in Libyen soll sie Menschenrechtsverletzungen begangen haben.

Aktivurlaub unter sonnigem Himmel verbringen, fremde Länder und Sehenswürdigkeiten mit eigenen Augen bestaunen, neue Freunde finden und dabei sogar noch Geld verdienen: Die russische Gruppe Wagner wirbt auf ihrer Website mit dem verlockenden Slogan »Work and Travel«. Der Werbeclip endet ernüchternd: »Beunruhigend ist nur, dass man getötet werden kann. Aber wenn du ­getötet wirst, erfährst du es ja gar nicht. Also scheiß drauf.«

Hinter dem Namen Wagner verbirgt sich ein Dienstleistungsunternehmen, dessen Geschäftskonzept gefragt zu sein scheint. Auf der Homepage brüstet es sich ohne Details zu nennen damit, über tausend Terroristen beseitigt, weit über hundert Kampfoperationen durchgeführt und sechs Diktatoren gestürzt zu haben. Die Angebotspalette reicht von der reinen Beratung bis hin zu Einsätzen auf dem Land und Wasser, allerdings nur für private Auftraggeber. Doch die Funktion der Wagner-Söldnertruppen ist weitaus vielfältiger, wenngleich ihre Tätigkeiten vom russischen Gesetz nicht gedeckt sind.

Mitte September meldete die Nachrichtenagentur Reuters, dass die Regierung des westafrikanischen Landes Mali mit der Gruppe Wagner über den Einsatz von Söldnern verhandele. Bei der französischen Regierung, die seit 2013 auf Einladung der malischen ­Regierung mit Tausenden Soldaten im Land gegen islamistische Milizen kämpft, sorgte diese Nachricht für Empörung. Auch Deutschland drohte mit der Beendigung seiner Militärmission. An der UN-Mission Minusma sowie der EU-Ausbildungsmission EUTM in Mali sind unter anderem über 1 000 Bundeswehrsoldaten beteiligt.

Kremlsprecher Dmitrij Peskow dementierte: Es hielten sich in Mali keine russischen Militärs auf und es fänden auch keine Gespräche statt. Kurz darauf bestätigte Außenminister Sergej Lawrow, dass sich Mali tatsächlich an einen privaten russischen Militärdienstleister gewandt habe und begründete dies mit der schwierigen Sicherheitslage, die sich durch den geplanten Abzug französischer Streitkräfte verschärfe.

Als ehemalige französische Kolonie bestehen zwischen Frankreich und Mali enge, aber äußerst konfliktgeladene Bindungen. Nun tritt offenbar Russland in die Bresche. Die afrikanische Wochenzeitung Jeune Afrique berichtete im Sommer von einigen prorussischen Kundgebungen unter anderem in Malis Hauptstadt Bamako, bei denen Wladimir Putin um Hilfe gebeten worden war. Nach Angaben von Financial Afrik sollen sich zudem seit August bereits 50 russische Experten zur Lagesondierung in Mali aufhalten. Bereits 2019 unterzeichneten Russland und Mali ein Militärabkommen und einige Mitglieder der derzeitigen Übergangsregierung, wie beispielsweise Verteidigungsminister Sadion Camara, reisten zwischenzeitlich zu Schulungen nach Russland.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion dauerte es Jahrzehnte, bis Russland wieder Ansprüche auf mehr Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent geltend machte. Seit 2017 wurden mit einer ganzen Reihe von Staaten Abkommen über militärische Zusammenarbeit geschlossen. Längst nicht in allen sind Wagner-Söldner vor Ort, aber sie weiten ihren Radius zunehmend aus und sind in Libyen, im Sudan, der Zentralafrikanischen Republik, in Angola, Madagaskar, Guinea, Mosambik, im Kongo und Botswana vertreten.

Etwa zeitgleich mit dem Beginn der Wiederbelebung alter Beziehungen oder der Knüpfung neuer entdeckte auch der findige St. Petersburger Geschäftsmann Jewgenij Prigoschin das Potenzial für die Entwicklung einer Business-Struktur der besonderen Art. Das mittlerweile verbotene russische Rechercheportal Projekt zitierte seinerzeit einen anonymen Gesprächspartner aus Prigoschins Umfeld mit den Worten «Prigoschins Geheimnis besteht darin, dass er gelernt hat Putin den Traum dessen zu verkaufen, was dieser über die Stärkung des russischen Einflusses in der Welt hören will».

Diese Vision hatte nach der Krim-Annexion und dem Krieg mit russischer Beteiligung in der Ostukraine 2014 nicht nur innenpolitisch durch den anfangs starken Zuspruch in der russischen Bevölkerung eine starke Aufwertung erhalten. Die Idee, beispielsweise im rohstroffreichen Afrika chinesischen Investoren einen Teil des Profits streitig zu machen, versprach lukrative Gewinnsätze. In der Zentralafrikanischen Republik winkt das Geschäft mit den Diamanten- und Goldvorkommen, das über Prigoschins Firma Lobaye Invest abgewickelt wird. Neben russischen Militärinstrukteuren sorgen mehrere hundert Söldner in enger Kooperation mit dem lokalen Militär für die Umsetzung eines gewaltvollen Herrschaftskonzepts. Neben Wagner-Angehörigen gewährleisten außerdem die ebenfalls russischen Militärfirmen Sewa Security Services und Lobaye Invest SARLU die weitläufige Kontrolle aller strategisch wichtigen Orte und Objekte im Land. Von einem verwaltungstechnisch betrachteten Standpunkt laufen alle Fäden bei Prigoschin zusammen, während die Koordination der Umsetzung aller anstehenden Aufgaben beim russischen Militärnachrichtendienst GRU liegt.

Erst am vergangenen Mittwoch veröffentlichten Experten der UNO-Menschenrechtskommission eine Erklärung zur Situation in der Zentralafrikanischen Republik. Darin sprechen sie von gewalttätigen Übergriffen und Einschüchterungen von Zivilisten und systematischen schweren Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Vergewaltigungen durch Angehörige der Wagner-Gruppe. Auch in Syrien waren Wagner-Söldner mutmaßlich an der Folter und Ermordung eines syrischen Zivilisten beteiligt.

Die Wagner-Gruppe, ein schwer durchschaubares Konglomerat aus diversen Firmen, mischt den Markt privater militärischer Sicherheitsfirmen seit einiger Zeit gewaltig auf. Das liegt nicht zuletzt am Lohndumping. Andere im südlichen Afrika präsenten privaten Militärfirmen wie OAM oder Black Hawk konkurrierten beispielsweise 2019 vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Mosambik um einen Auftrag, für den Wagner schließlich den Zuschlag erhielt. Allein die veranschlagten Personalkosten lagen beim russischen Konkurrenten um ein Vielfaches unter den ansonsten branchenüblichen, allerdings fehlten ihm wiederum wertvolle Ortskenntnisse. Sicherheitsexperte Mark Galeotti, der sich unter anderem mit der organisierten Kriminalität in Russland befasst, bezeichnet den Marktvorteil von Wagner als Kombination von günstigen Preisen und der Nähe zur russischen Führung, die über reine Sicherheitsfragen hinaus gehende komplexe Dienstleistungen ermöglichen.

GRU-Reserveoffizier Walerij Utkin mit Decknamen Wagner, Gründer der Söldnertruppe, wird eine ideologische Nähe zu rechtsextremem und heidnisch-nationalistischem Gedankengut nachgesagt. Etliche seiner Kämpfer fielen durch entsprechende Tattoos auf und im Donbass, wo Wagner von Anfang an dabei war, bestanden enge Kontakte zu russischen Neonazis. Für seine Verdienste in der Ukraine wurde er mit dem russischen Tapferkeitsorden ausgezeichnet.

ute weinmann

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