BORN: Lebenslänglich hinter Gitter

Zweimal lebenslänglich, eine Haftstrafe von 24 Jahren und ein Freispruch. Damit ging in Moskau ein Gerichtsprozess gegen eine Gruppe Neonazis seinem Ende entgegen, der so manche aufschlussreichen Details über einzelne Tathergänge an die Oberfläche brachte, die heikle Schlüsselfrage nach den dahinter stehenden politischen Zusammenhängen jedoch weitgehend ausblendete. Allzu viel Aufklärung durfte man sich in dieser Hinsicht von Anfang an nicht erwarten, dabei hätte gerade die „Kampforganisation russischer Nationalisten“, abgekürzt BORN, das Zeug zum Lehrstück über „gelenkten Nationalismus“ gehabt, analog zum Demokratieverständnis der russischen Elite zu Beginn der 2000er Jahre. Verbindungen der russischen Neonaziszene in den Polizeiapparat sind Teil des Genres, aber BORN ging wesentlich weiter. Die Anführer der ambitionierten Bande profitierten vom Interesse an der extremen Rechten im Kreml, der als Antwort auf die „orangene Gefahr“ des ersten Maidan die Neonaziszene in gewissen Grenzen gewähren ließ und einzelne Vertreter für das politische Establishment nutzbar machte.

Mit BORN schließt sich ein Kapitel der Geschichte der russischen Neonaziszene, das derzeit im Donbass um ein neues ergänzt wird. Читать далее

Рубрика: Gerichtsprozesse, Nazis + Nationalisten | Метки: , | Комментарии к записи BORN: Lebenslänglich hinter Gitter отключены

Dissidenz hinterm Vorhängeschloss

In Perm-36, dem einzigen erhaltenen stalinistischen Straflager in Russland, wird nun auf Stalins Verdienste verwiesen.

Mal sanft, mal steil ansteigend und wieder abfallend führt der Weg über die Hügel des Ural von der Millionenstadt Perm ins tiefste Hinterland. Man braucht über eine nun gut ausgebaute Straße mit dem Auto gerade mal zwei Stunden bis zum ehemaligen Straflager Perm-36, während die Häftlinge in den über 40 Jahren seines Bestehens eine viele Stunden dauernde beschwerliche Fahrt überstehen mussten. Rund um das Dorf Kutschino, dessen Bewohner ihren Teil zur Erhaltung der Lagerinfrastruktur beitrugen, herrscht völlige Stille. Ab und an wird sie durch das leise Rauschen eines nahegelegenen Flusses durchbrochen, der zum Abtransport der von den Häftlingen gefällten Baumstämme diente.

Perm-36 ist das einzige Lager, in dem ein Gebäudeensemble aus der Zeit des stalinistischen Gulag im Original erhalten geblieben ist. Perm_april15_62 Читать далее

Рубрика: Foto, Geschichte + Gegenwart | Метки: , | Комментарии к записи Dissidenz hinterm Vorhängeschloss отключены

Die passenden Verdächtigen

Die russischen Ermittler haben zwar mutmaßliche Täter benannt, aber aufgeklärt ist der Mord an Boris Nemzow nicht.

Ist von einer »tschetschenischen Spur« die Rede, fühlt man sich unweigerlich zurückversetzt in die Anfänge der Amtszeit Wladimir Putins als russischer Präsident. Damals schien es allen Grund zu geben, Tschetschenen für etliche Terrorakte verantwortlich zu machen, bei denen Hunderte von Menschen ums Leben kamen. Schließlich führte das russische Militär gegen die kleine Kaukasus-Republik Krieg. Zweifel, ob die Drahtzieher bei so manchem Anschlag wirklich von dort stammten, blieben jedoch bestehen. Dafür brachte die jahrelang andauernde kriegerische Sonderoperation Putin politische Dividende ein, ja sie legte den Grundstein für seine praktisch unangefochtene Machtposition.

Doch dann war Tschetschenien offiziell befriedet, die Ukraine hat den Kaukasus als Feinbild längst abgelöst. Nun haben sich die Zeiten geändert. Sind Tschetschenen in politisch relevante Straftaten involviert, spricht das weniger dafür, dass die Regierung alles unter Kontrolle hält, als für zutage tretende Risse im Machtsystem.

Eine Woche nach dem Mord an dem russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow standen für die ermittelnden Behörden die Schuldigen fest. Die Spur führt nach deren Angaben nach Tschetschenien. Fünf Verdächtige sitzen in Untersuchungshaft, aber selbst wenn es sich tatsächlich um die Täter handeln sollte, stellen sich Fragen hinsichtlich des Motivs und der Hintergründe. Читать далее

Рубрика: Gerichtsprozesse, Kaukasus | Метки: , | Комментарии к записи Die passenden Verdächtigen отключены

Ökonomischer Druck ist einfacher

Die russische »Nowaja Gaseta« kämpft darum, als Oppositionsmedium erhalten zu bleiben

nd: Ist die »Nowaja Gaseta« von der Schließung bedroht?
Prusenkowa:
Nein, ganz so schlimm ist es nicht. Tatsächlich gab es früher ähnliche Situationen. Die Gründe sind jetzt mehr oder weniger dieselben, mit dem prinzipiellen Unterschied, dass es jetzt nur um die zeitweilige Einstellung der Printausgabe geht, wir aber die Webseite weiter betreiben wollen. Innerhalb der Redaktion ist diese Entscheidung alles andere als populär, aber die Situation auf dem Medienmarkt zwingt uns dazu, insbesondere der immense Anstieg der Vertriebskosten. Unsere Haupteinnahmen stammen aus dem Verkauf am Kiosk, Abos, Werbung, sowohl in der Printausgabe als auch in der Online-Version, aber auch aus Investitionsmitteln. Alexander Lebedew, unser wichtigster Investor, hat seine Unterstützung allerdings vor anderthalb Jahren beendet, nachdem seine National Reserve Bank fast in den Bankrott getrieben worden war. Читать далее

Рубрика: Interview | Метки: | Комментарии к записи Ökonomischer Druck ist einfacher отключены

«Angeblich von Feinden umzingelt»

Der Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo vor zwei Monaten löste auch in Russland Reaktionen aus. Die Jungle World sprach mit Alexander Bikbov über rechte Interpretationen, konservative Überreak­tionen und die Zustände in den russischen Medien. Bikbov ist Soziologe und beschäftigt sich als Forscher eingehend mit Fragen der Struktur öffentlicher Ordnung und mit gesellschaftlichen Bewegungen.

Die Reaktionen in Russland auf die Terroranschläge von Paris unterschieden sich in vieler Hinsicht von der Wahrnehmung dieser Ereignisse in Europa. Die russische Linke distanzierte sich größtenteils von Charlie Hebdo, weil die Zeitschrift nicht »links« sei. Der gesamtgesellschaftliche Diskurs und Medienberichte, egal welcher politischer Ausrichtung, bewegten sich auf der Ebene eines vermeintlichen Konflikts der Kulturen, Religionen und Zivilisationen. Es schien sich zu bestätigen, wovon die Mehrheit der russischen Bevölkerung ohnehin überzeugt war, nämlich dass eine liberale Herrschaftsform nichts Gutes verheißt. Wie erklären Sie sich das?

Читать далее

Рубрика: Interview | Метки: | Комментарии к записи «Angeblich von Feinden umzingelt» отключены

«Sakrales Opfer»

Der Mord an dem russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow schadet zuallererst der Opposition.

Am Morgen des 27. Februar sorgte der russische Präsident Wladimir Putin mit seiner Unterschrift dafür, dass dieser Tag von nun an als Feiertag der Sondereinsatzkräfte gilt. Eine halbe Stunde vor Mitternacht erhielt dieser Tag eine weitere, nicht rein symbolische Bedeutung. Auf einer Brücke über den Fluss Moskwa, gerade mal 50 Meter von der Kremlmauer entfernt, erschoss ein Unbekannter hinterrücks den Oppositionspolitiker Boris Nemzow. Von sechs Kugeln trafen vier ihr Ziel, eine davon direkt ins Herz. Noch gibt es keine konkreten Hinweise auf den Täter, aber sowohl der Zeitpunkt als auch der Ort des Geschehens legen es nahe, Nemzows Tod in die Liste der zahlreichen politischen Morde einzureihen, an denen es Russland ebenso wenig mangelt wie an Feiertagen für bestimmte Berufsgruppen.

Nemtsow1mar15_109

Im Visier – aber von wem? Tausende beteiligten sich am Sonntag am Trauermarsch für Boris Nemzow in Moskau (Foto: Ute Weinmann)
Рубрика: Foto, Protest | Метки: , | Комментарии к записи «Sakrales Opfer» отключены

Der Krieg und die Linke

Zur Lage der emanzipatorischen Linken in Russland und der Ukraine

Drastisch gesprochen sorgte der mit russischer Unterstützung geführte Krieg in der Ukraine zumindest hinsichtlich der emanzipatorischen Linken in Russland für einen begrüßenswerten Nebeneffekt: Er hat die Spreu vom Weizen getrennt. Endgültig oder jedenfalls auf absehbare Zeit. Dabei sind seit Beginn des Maidan und auch nach Einsetzen der Kampfhandlungen im Donbass keine grundsätzlich neuen Konfliktlinien aufgetreten, aber die bereits bestehenden haben sich so sehr vertieft, dass sich schier unüberwindliche Gräben innerhalb der im weitesten Sinne sich als links positionierenden Kräfte auftun. Aber nicht immer beschränken sich Differenzen auf unterschiedliche Organisationen und politische Zusammenhänge.

Was den offenen oder indirekten Unterstützern der von so manchen Linken als Vorposten im Kampf gegen den amerikanischen Imperialismus oder Wahlweise der ukrainischen Oligarchie interpretierten „Volksrepubliken“ Optionen für neue Bündnisse insbesondere in der extremen Rechten beschert, führte bei emanzipatorischen Kräften der Linken im Zuge des eskalierenden Kriegsgeschehens gelegentlich zu internen Zerwürfnissen.

Читать далее

Рубрика: Protest, Russische Linke, Ukraine | Метки: , , | Комментарии к записи Der Krieg und die Linke отключены

Kein bisschen Frieden

Trotz Waffenstillstand wurde in den vergangenen Tagen in der Ostukraine weitergekämpft. Auch mit der Umsetzung weiterer in Minsk getroffener Vereinbarungen werden sich die beteiligten Seiten schwertun.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Aber jede Feuerpause, und sei es nur für einen kurzen Zeitraum, ist besser als Dauerbeschuss. Auf diese kurze Formel lassen sich die Ergebnisse der lang erwarteten Verhandlungen von vergangener Woche in Minsk bringen, die den Weg für eine langfristige Friedenslösung im Donbass ebnen sollten. In der Nacht auf Sonntag, so will es die von allen Seiten akzeptierte Verabredung, sollte der Schusswechsel eingestellt werden. Bis dahin gingen die Kampfhandlungen in gewohnter Intensität weiter. Aber auch danach wurde weiter geschossen. Allein am Sonntag vermeldete die Pressestelle der ukrainischen Seite über 112 Beschüsse ihrer Stellungen, während die Militärführung der Donezker »Volksrepublik« von 27 Verstößen der Gegenseite sprach.

Anders als im vergangenen September, als in Minsk ein erstes Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet worden war, brauchte es beim zweiten Anlauf schwereres Geschütz, um alle Seiten zu einer Einigung zu bewegen. Читать далее

Рубрика: Militär, Ukraine | Метки: , | Комментарии к записи Kein bisschen Frieden отключены

Der Kampf geht weiter

In der Ostukraine ist die kurze Waffenpause vorbei, die Kampfhandlungen eskalieren. Die ukrainische Regierung und die Separatisten wollen ihre jeweiligen Truppen massiv aufstocken.

Es ist, als habe es nie Vereinbarungen über einen Waffenstillstand und die Schaffung einer von großkalibrigem Kriegsgerät geräumten Sicherheitszone gegeben. Im Januar eskalierten die Kampfhandlungen im Osten der Ukraine erneut. Generalmajor Alexander Rosmasnin, der ukrainische Leiter des ukrainisch-russischen Kontrollzentrums, das nach dem Minsker Abkommen vom vergangenen September über die Einstellung der Gefechte und die Stabilisierung der festgelegten Demarkationslinie wachen soll, spricht für Dezember von bis zu zehn massiven Beschüssen pro Tag. Im Januar verzeichnete er 142 pro Tag. Die Intensivierung der Gefechte führt auch unter der Zivilbevölkerung zu Todesopfern, doch liegen weder exakte Zahlen vor, noch lässt sich immer zweifelsfrei feststellen, wer geschossen hat. Читать далее

Рубрика: Militär, Ukraine | Метки: , | Комментарии к записи Der Kampf geht weiter отключены

Антифашистское шествие 19 января: Радио Свобода

С какими лозунгами выйдут на митинг противники фашизма и как они его теперь понимают? Новые вызовы антифашистского движения: восточная Украина и терроризм в Европе. Кто фашист и кто антифашист на востоке Украины? Новые националисты России и Украины: найдите отличия. Что делают русские неонацисты в зоне АТО? Как бороться против государственного национализма? Солидарность за гуманизм и против политических пристрастий. Еще раз о ксенофобии, нетерпимости, разных видах дискриминации, преследованиях по национальному признаку. Фрагменты фильма памяти Анастасии Бабуровой и Станислава Маркелова “Любите меня, пожалуйста”.

Влад Тупикин, журналист, правозащитник; Утэ Вайнманн, политолог; Надежда Прусенкова, руководитель пресс-службы “Новой газеты”; Кирилл Медведев, поэт, лидер рок-группы “Аркадий Коц”, активист Российского социалистического движения; Из Киева – режиссер Валерий Балаян и социолог Владимир Ищенко.

Ведет программу Елена Фанайлова

Видео на youtube

Рубрика: Antifaschismus, Audio, Nazis + Nationalisten, Protest, Radio, Russisch, по-русски | Метки: , , , , , | Комментарии к записи Антифашистское шествие 19 января: Радио Свобода отключены