Auf der falschen Spur

Zwei Jahre nach dem ungeklärten Mord an Natalja Estemirowa werfen russische Menschenrechtler den Behörden Ermittlungsfehler vor.

Natalja Estemirowa wurde vor ihrem Wohnhaus in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny gewaltsam in ein Auto gezerrt. Wenige Stunden später fand man ihre Leiche jenseits der Grenze zum benachbarten Inguschetien. Am 15. Juli jährte sich zum zweiten Mal der Todestag der im Ausland mit Preisen ausgezeichneten Menschenrechtlerin und Journalistin, doch der Mord ist noch immer nicht aufgeklärt. Читать далее

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Eine Schneise für den Widerstand

Der Kampf gegen Waldrodungen nahe Moskau wurde zum Symbol für den Ungehorsam gegenüber der Staatsmacht. Nun beteiligen sich auch Rechtextremisten an den Protesten.

Eine breite Schneise mitten im Waldgebiet deutet auf eine Niederlage der Umweltschützer hin. Die aber wollen sich nicht geschlagen geben. Ein Jahr ist vergangen, seit der Widerstand gegen Waldrodungen nahe Moskau eine breitere Öffentlichkeit erreichte. Nun erfassen die Proteste gegen die geplante Maut­autobahn von Moskau nach St. Petersburg nach dem Vorort Chimki auch die benachbarten Gebiete entlang der Strecke. Читать далее

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Als sei schon Stalin dort gewesen

Während für Umweltschutz kein Geld da ist und die Arbeiter auf den Baustellen ausgebeutet werden, wird für einen olympischen Luxusferienort in Sotschi teure Reklame gemacht.

Wer sich weder für Sport noch für Geldwäsche in der Baubranche oder die Zerstörung ungenutzter Naturflächen interessiert, den lassen die bevorstehenden Olympischen Winterspiele in Sotschi kalt.

Das trifft insbesondere auf junge Moskauer Schöngeister zu, deren Blick für den ästhetischen Gehalt einer Sache sich häufig genug den banalen und wenig beschaulichen Realitäten im Land verschließt. Und Sotschi steht nun einmal nicht für anspruchsvollen visuellen Genuss. Читать далее

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Mord unter staatlicher Aufsicht

Nachdem Urteil gegen die Mörder des Anwalts Stanislaw Markelow und der Journalistin Anastasia Baburowa Anfang Mai gerieten die Verbindungen der russischen Neonaziszene zu staatsnahen Strukturen verstärkt ins Visier von Journalisten. Der unter bemerkenswerter öffentlicher Aufmerksamkeit verlaufende Prozess gegen Nikita Tichonow und seine Lebensgefährtin Jewgenija Chasis, die zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe bzw. 18 Jahren Freiheitsentzug verurteilt wurden, legte diesbezüglich zahlreiche Fakten offen.

Soweit aus den Aussagen von Ilja Gorjatschew — Anführer der rechtsradikalen Vereinigung Russkij Obraz und zudem einer der Hauptbelastungszeugen in dem Prozess – bekannt, warb die kremlorientierte Jugendbewegung „Mestnyje“ im Moskauer Umland aktiv um neue Kader aus der Neonaziszene. Verantwortlich dafür war Leonid Simunin, der in direktem Kontakt mit Nikita Tichonow stand, bei dem er eine Waffe erwerben wollte. Das Geschäft kam allerdings nicht zustande. Die „Mestnyje“ bestreiten, jemals Verbindungen mit Russkij Obraz unterhalten zu haben. Simunin arbeitete später für eine Kommunikationsfirma, deren Vertretung sich unter der gleichen Adresse wie die Kremljugendorganisation „Rossija Molodaja“ befand. Jene Firma kooperierte aber nicht nur mit Kremlorganisationen, sondern auch mit Russkij Obraz.

Lange Zeit galt Russkij Obraz als eines der erfolgreichsten Projekte der russischen Rechten. Gute Kontakte zum Kreml ermöglichten die legale Durchführung von Großveranstaltungen, hauptsächtlich Konzerte mit in der Naziszene populären Bands, darunter auch Kolowrat. Die politische Plattform von Russkij Obraz zog ein breites Anhängerspektrum an und, nicht unwichtig, eine ganze Reihe von Geschäftsleuten, die als Sponsoren auftraten. Nikita Tichonow unterhielt zwar in den vergangenen Jahren keine aktive Mitgliedschaft, gehört aber zu den Gründern von Russkij Obraz und gab die gleichnamige Zeitschrift der Vereinigung mit heraus.

Auch spielten die Verbindungen von Russkij Obraz zur russischen Präsidialverwaltung, also jener Behörde, in der die Fäden der russischen Politik gesponnen werden, in den Gesprächen von Tichonow und Chasis in den Tagen vor ihrer Festnahme eine Rolle. Ihre Wohnung wurde zu dem Zeitpunkt abgehört und die Aufnahmen, darunter auch mit einer versteckten Kamera aufgenommene Sequenzen, vor Gericht als Beweisstücke vorgelegt. Durch das als „Verrat“ eingestufte Auftreten von Ilja Gorjatschew als Zeuge hat Russkij Obraz in der rechten Szene allerdings deutlich an Autorität verloren. Gorjatschew selbst hat sich nach Serbien abgesetzt, vermutlich nicht zuletzt deswegen, um etwaigen Racheaktionen aus den eigenen Reihen zu entgehen.

Als legal operierende Vereinigung stand Russkij Obraz im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Doch agierten die Mörder von Markelow und Baburowa in einen viel weitläufigeren Zusammenhängen. Denn der legale Status von Russkij Obraz diente zwar als eine Art Deckmantel, doch für Gewaltaktionen zeichneten Strukturen wie OB-88 (Vereinigte Brigaden 88) oder Combat-18 verantwortlich. Tichonow gehörte OB-88 ebenso an wie Aleksej Korschunow, der im Zusammenhang mit dem Mord an dem Richter Eduard Tschuwaschow im April 2010 und dem Mord an dem Antifaschisten Iwan Chutorskoj im November 2009 zur Fahndung ausgeschrieben ist.

Die mittlerweile verbotene Bewegung gegen illegale Immigration DPNI geht mit dem Mitte April ins Leben gerufenen Koalitionsprojekt „Russkije“ („Russen“), dem neben Dmitrij Djomushkin vom vormaligen, ebenfalls verbotenen „Slawischen Bund“ Dutzende nationalistische Parteien und Organisationen angehört, eigene Wege. Die „Russen“ versuchen sich somit vom diskreditierten Russkij Obraz abzugrenzen. Beim rechten Aufmarsch am 1. Mai tolerierten die Veranstalter allerdings die Präsenz von Russkij Obraz. Verhandlungen mit der Partei des Rechtspopulisten Wladimir Zhirinowskij über eine Zusammenarbeit im Vorfeld der für Dezember anstehenden Dumawahlen diensten zur Sondierung weiterer Bündnisse. Der ehemalige Anführer der DPNI Alexander Below wollte zudem einen Zusammenschluss im Rahmen einer Volksfront nicht ausschließen.

Im Übrigen sprach im Mai ein Geschworenengericht in St. Petersburg nach anderthalbjähriger Prozessdauer fast alle Angeklagten der Neonazibande Borowikow-Wojewodin schuldig. Auf ihr Konto gehen zahlreiche Morde, darunter auch der Mord an dem Wissentschaftler Nikolay Girienko, der im Juni 2004 durch die geschlossene Wohnungstür hindurch erschossen wurde. Mitte Juni legte das Gericht gegenüber zwölf von vierzehn Angeklagten Strafmaß zwischen zwei Monaten auf Bewährung bis zu lebenslänglichem Freiheitsentzug fest. Zwei der Angeklagten wurden freigesprochen. 

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Mächte, Rechte und Gerechte

Zur Vorbereitung auf die Wahlen werden in Russland neue Parteien gegründet. Oppositionelle Aktivitäten sind von ihnen allerdings nicht zu erwarten.

In Russland lebt man zwar gezwungenermaßen mit vielen Unwägbarkeiten, aber wenn es um Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen geht, wird nur wenig dem Zufall überlassen. Der Plan geht über alles und muss erfüllt werden. In der Vergangenheit wurden Risiken durch die Mobilisierung jenes Teils der Bevölkerung minimiert, der von staatlichen Löhnen, Renten oder sonstigen Zuschüssen abhängig ist. Zudem verfügt die Partei von Premierminister Wladimir Putin, Einiges Russland, über jede Menge weiterer Einflussmöglichkeiten, die man zusammenfassend gerne als »administrative Ressourcen« bezeichnet. Читать далее

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Moskau verbietet weiter

Hochkonspirativ ging es am vergangenen Sonntag in der Moskauer Innenstadt zu. Etwa 70 Menschen waren am Vormittag in organisierten Kleingruppen auf einem der zentralen Boulevards erschienen, um mit einem »Marsch der Gleichheit« gegen die Diskriminierung von Homosexuellen zu demonstrieren. Die von radikalen Feministinnen, der »Regenbogenassoziation« und linken politischen Aktivisten angemeldete Veranstaltung war zuvor verboten worden. Als Begründung führten die Behörden Bedenken an, dass Kinder und Jugendliche »moralischen Schaden« davontragen könnten, ja ihre psychische Gesundheit sei gefährdet, sollten sie unfreiwillig Zeugen der karnevalistischen Parade Homosexueller werden. Die Polizei hatte allerdings Wind von dem nunmehr im Geheimen geplanten Marsch bekommen. Eine versuchte Festnahme endete jedoch mit der geschickten Flucht des betroffenen Aktivisten und einem Sprintduell, bei dem der uniformierte Angreifer klar unterlag. Читать далее

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Eine Bombe schafft Einigkeit

Bereits zwei Tage nach dem Anschlag in der weißrussischen Hauptstadt Minsk präsentierte die Staatsanwaltschaft die angeblichen Täter. Doch nicht nur Opposi­tionelle zweifeln an diesem Ermittlungsergebnis.

Die Weißrussen sind derzeit »so einig wie nie zuvor«. Zu dieser gewagten Schlussfolgerung kam ihr Präsident Alexander Lukaschenko nach dem Bombenanschlag in der Minsker Metro , bei dem am 11. April 13 Menschen ums Leben kamen und etwa 200 verletzt wurden. Bereits zwei Tage später erfolgte die Festnahme der vermeintlichen Täter. Dmitrij Konowalow aus Witebsk und dessen Klassenkamerad gelten als Hauptverdächtige. Konowalows Vater, Uhrmacher von Beruf, soll den Zündungsmechanismus angefertigt haben.

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«Frösche sind nicht radiophob, erkranken aber trotzdem»

Ende April jährt sich der Super-Gau in Tschernobyl zum 25. Mal. Dass der Jahrestag dieses Mal besonders große Aufmerksamkeit erhält, verdankt sich der derzeit noch andauernden Katastrophe im AKW Fukushima. Da deren Folgen unabsehbar sind, hoffen die einen, die derzeitige nukleare Katastrophe werde »nicht so schlimm wie Tschernobyl«. Andere befürchten, die Folgen des Unfalls in Fukushima könnten »noch schlimmer als Tschernobyl« sein. Doch wie gravierend waren die Auswirkungen der Reaktor-Katastrophe in der Ukraine wirklich? Bis heute schwanken die Angaben über die Zahl der Todesopfer der Tschernobyl-Katastrophe und gehen weit auseinander. Die Jungle World sprach mit dem russischen Strahlenbiologen und prominenten Umweltschützer Alexej Jablokov, der sich mit den gesundheitlichen Folgen der Tschernobyl-Katastrophe beschäftigt. Читать далее

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Aus Spiel wird Mord

In Moskau steht ein Nazi-Paar wegen der Morde an einem Anwalt und einer Journalistin vor Gericht. Dank der Kenntnisse der Angeklagten könnten sich weitere Morde aufklären lassen. Doch die beiden sind bislang nicht sonderlich gesprächig.

Vielleicht ist der sportlich gekleidete Mann in dem Glaskasten ein Mörder, die junge Frau daneben seine Komplizin. Sie turteln, als säßen sie ungestört auf einer Parkbank im Grünen. Doch die Szene spielt sich in einem Saal des Moskauer Stadtgerichts ab. Dort läuft seit Mitte Februar der Prozess wegen Mordes an dem Anwalt Stanislaw Markelow und der Journalistin Anastasia Baburowa. Im Januar 2009 wurden beide am hellichten Tag im Moskauer Stadtzentrum erschossen. Читать далее

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Tschernobyl ist weit weg

Ist Fukushima wirklich »überall«, wie Atomkraftgegner in Deutschland meinen? Während hierzulande Atomkraftwerke abgeschaltet werden, halten die meisten Länder an ihren Nuklearplänen fest. Russland will zwar die Sicherheit der AKW überprüfen, aber auch den Bau neuer ­Reaktoren beschleunigen. Beginn einer Serie über die internationalen Debatten zum Thema Atompolitik.

In den ersten Tagen nach der Katastrophe im Atomkraftwerk Fukushima war das Interesse in der russischen Öffentlichkeit an den Ereignissen im östlichen Nachbarland groß. Besondere Aufmerksamkeit schenkte die Bevölkerung an Russlands Ostküste und auf der Insel Sachalin den Nachrichten über eine mögliche Verbreitung radioaktiver Strahlung Richtung Westen. Die Nachfrage nach Jodpräparaten und Dosimetern stieg dort in den vergangenen Tagen rasant an. Um die Gemüter zu beruhigen, wiederholten »Experten« und Politiker gebetsmühlenartig, dass der Vergleich mit dem Reaktorunglück im ukrainischen Tschernobyl vor 25 Jahren völlig unangebracht sei. Meist bezogen sie sich dabei auf Konstruktionsunterschiede, die in Japan einen ähnlich dramatischen Verlauf unmöglich machten. Читать далее

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