Geheimnisvolle Manöver

Russland hat die an die Grenze zur Ukraine verlegten Truppen wieder zurückgezogen, doch die Lage im Donbass bleibt angespannt.

Seit dem Frühjahr häuften sich die Anzeichen für eine erneute militärische Eskalation im Osten der Ukraine. Russisches Kriegsgerät und Zehntausende Soldaten wurden an die Grenze zur Ukraine und auf die Krim verlegt, was bei der ukrainischen Führung Nervosität hervorrief. So bekräftigte Präsident Wolodymyr Selenskyj seine Forderung nach baldiger Mitgliedschaft in der Europäischen Union und Aufnahme in die Nato-Militärbündnis. Die sich zuspitzende Situation im Donbass war Anfang April auch Gegenstand seines ersten Telefongespräches mit Joe Biden seit dessen Amtsantritt. Der US-Präsident sagte der Ukraine seine volle Unterstützung zu. Überdies stellte die türkische Regierung die Lieferung von Drohnen in Aussicht. Читать далее

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Hähnchen als Streikbrecher

Der in einer Strafkolonie östlich von Moskau internierte russische Oppositionelle Aleksej Nawalnyj befindet sich nach wie vor im Hungerstreik. Angaben seines Teams zufolge drohen ihm die Behörden nun Zwangs­ernährung an.

Es war absehbar, dass die Verurteilung Aleksej Nawalnyjs, zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren zum internationalen Politikum werden würde – immerhin ist er der bekannteste russische Oppositionelle. Nun muss die russische Führung mit unerwünschten weltpolitischen Nebenwirkungen umgehen, wie den Ende März ausgeweiteten Sanktionen der USA, die Exportbeschränkungen nach Russland vorsehen. Diese ändern jedoch nichts an den Pri­oritäten der russischen Staatsführung: Im September stehen Parlamentswahlen an, deren Ablauf nach Möglichkeit ohne allzu viele Unwägbarkeiten vonstatten gehen soll. Читать далее

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Resigniert in den Frühling

Die Beteiligung an den neuerlichen Protesten in Belarus blieb gering. Ein Zeichen für wachsende Popularität des Autokraten Alexander Lukaschenko ist das nicht.

Der 25. März sollte in Belarus die neue Protestsaison einläuten. Anlass dazu boten nicht nur steigende Temperaturen, vielmehr handelte es sich um den »Tag der Freiheit«, an dem an die Gründung des ersten unabhängigen belarussischen Staates 1918 erinnert wird. In diesem Jahr sollte er dem ­Widerstand gegen Alexander Lukaschenkos Alleinherrschaft gewidmet sein. Dessen Herausforderin bei den Präsidentschaftswahlen im August 2020, Swetlana Tichanowskaja, hatte zu Protesten aufgerufen. Es blieb an jenem Werktag jedoch bei symbolischen Gesten einiger Tausend Menschen, die am Abend Feuerwerke abbrannten und die weiß-rot-weißen Fahnen der ersten belarussischen Republik zeigten.

Weil Lukaschenko mit Militäreinsätzen gedroht hatte, lautete die Devise, Massenansammlungen zu vermeiden, um zumindest pro forma nicht gegen das Demonstrationsverbot zu verstoßen. Читать далее

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Gefährliche Comics

Der russische Staat geht unter dem Vorwand des Jugendschutzes gegen Comicfans vor.

Jugendliche haben subversive Tendenzen, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht. Je uneinsichtiger sie sich gegen elterliche Erziehung, schulische Vorgaben und staatliche Normierung zeigen, ­desto mehr fühlen sich manche Erwachsene in Russland berufen, ihrer vermeintlichen Fürsorgepflicht nachzukommen. Dieses Misstrauen hat sich seit den landesweiten Protesten nach der Festnahme des Oppositionellen Aleksej Nawalnyj im Januar verstärkt.

Das Loft-Projekt »Etashi« (Etagen) ist das erste nach allen Regeln der Gentrifizierung eröffnete Kulturzentrum Sankt Petersburgs. Читать далее

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Helft euch selbst, wenn Vater Staat nicht hilft

Wo sind rund um den Globus emanzipatorische Projekte zur Bekämpfung der Coronapandemie entstanden? Dieser Frage geht ein neues Dossier der Heinrich-Böll-Stiftung in einem Ländervergleich nach.

In Europa drehen sich Diskussionen in Coronazeiten vorrangig um das Pandemiemanagement des Staates. Andernorts hingegen entstanden bis heute zahlreiche Basisinitiativen, um staatliche Defizite bei der Eindämmung der Coronapandemie zu kompensieren. Das Berliner Bildungswerk der Heinrich-Böll-Stiftung geht den verschiedenen Initiativen in einem Dossier mit Textbeiträgen und Videointerviews nach. Damit startet es auch den Versuch, länderübergreifend der Frage nachzugehen, ob angesichts der schwindenden gesellschaftlichen Solidarität im Neoliberalismus unter den Coronabedingungen emanzipatorische Alternativen zum Tragen kommen.

Als Grundlage dienten Berichte von AutorInnen aus diversen Ländern. Читать далее

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Ein Täter als Zeuge

Der ehemalige tschetschenische Polizist Sulejman Gesmachmajew berichtet über Verbrechen im sogenannten Antiterrorkampf.

Wer sich mit Ramsan Kadyrow anlegt, lebt gefährlich. Es braucht nicht viel, um den Unwillen des machthungrigen tschetschenischen Präsidenten zu er­regen, der so ziemlich alles untersagt, was andernorts in Russland zu den minimalen bürgerlichen Freiheiten zählt. Was sich Sulejman Gesmachmajew geleistet hat, stellt indes einen Tabubruch dar, den vor ihm noch niemand gewagt hat. Der 31jährige ehemalige Angehörige des Kadyrow-Regiments, einer für Sondereinsätze und den, wie es heißt, Antiterrorkampf zuständigen Einheit des tschetschenischen Innenministeriums, lieferte ausführliche Details über außergerichtliche Hinrichtungen im Frühjahr 2017. Mitte März veröffentlichte die russische Zeitung Nowaja Gaseta Gesmachmajews Bericht einschließlich eigener Recherchen, die an der Glaubwürdigkeit des un­gewöhnlichen Zeugen keine Zweifel lassen. Читать далее

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Im Reich ohne Moral

Der renommierte Theatermann Konstantin Bogomolow schiesst in der liberalen «Nowaja Gaseta» gegen einen «Queersozialismus», der in Russland angeblich drohe. Worum geht es in dieser grotesken Debatte?

Europa ist dem Untergang geweiht: Diese Schlussfolgerung legt ein Text mit dem reisserischen Titel «Entführung Europas 2.0» nahe, der Mitte Februar in Russlands liberal gesinnten intellektuellen Kreisen einen regelrechten Sturm der Empörung ausgelöst hat.

Darin ist von einem «neuen ethischen Reich» die Rede, das den Menschen auf Liebesbezeugungen pole und ihm das Recht auf freie Hassbekundungen abspreche. In der Selbstkastrierung liege die einzige Chance, zu überleben. Europa sei von einem «Queersozialismus» in Beschlag genommen, einer modernen Abart des Nationalsozialismus und des Bolschewismus. Dieser imaginierten Apokalypse stellt der Autor wilden, ungezügelten Sex als Sinnbild für persönliche Freiheit gegenüber.

Russland befinde sich am Ende eines Zuges, der unausweichlich der Hölle entgegenrase, wo multikulturelle, genderneutrale Teufelchen auf die Ankunft der PassagierInnen warteten. Читать далее

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Sputnik und die Trolle

Seit die Welt um die Existenz russischer Trolle weiß, wimmelt es in aufgeklärten Demokratien nur so von Russland-Experten. Wer die Presse aufmerksam liest, darf sich sogar mit dem Wissen brüsten, dass die auf Zwistigkeiten gepolten Schreiberlinge ursprünglich ihren Geschäftssitz im St. Petersburger Stadtteil Olgino einnahmen, vor dem Umzug in größere und bequemere Räumlichkeiten. Die umtriebigen Trolle mischen überall mit, nur mit eigenen Augen gesehen hat sie von Berlin oder München aus vermutlich kaum jemand. Aber das verhält sich mit Trollen aus weniger politisch aufgeladenen Zusammenhängen ja auch so – schließlich handelt es sich eigentlich um Fabelwesen. Dabei kann sich die russische Spezies, was ihren Bekanntheitsgrad anbelangt, sogar mit Präsident Wladimir Putin messen. Читать далее

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«Не волнуйся и социализируй недвижимость». Берлинцы требуют доступного жилья

В эпоху тотальной приватизации всего общественного слово «экспроприация» звучит чрезмерно дерзко. Оно во многом отсылает к революционным событиям столетней давности и поэтому в глазах многих россиян само понятие может показаться антикварным, не имеющим отношения к нашему современному укладу жизни. Такая трактовка, однако, является верной только отчасти. Можно, разумеется, вести долгие философские споры на тему того, как обозначить распространенные в России практики выселения жителей из домов, расположенных на участках с потенциалом увеличения прибыли девелоперов и чиновников в десятикратном размере после строительства торговых центров, офисных зданий или сорокаэтажных жилых комплексов. Даже при обоюдном согласии, предоставлении альтернативной жилплощади или выплате денежной компенсации за утраченную собственность, часто не может идти речи о выгодной для обычных граждан сделке, ибо они, как правило, по деньгам заметно проигрывают. К тому же не секрет, что действия властей направленны на тщательно отработанную схему принудительно-добровольного принятия населением их же решений. Совсем иначе дела обстоят, когда инициатором перемен в жилищной сфере являются не власти, а сами граждане. Читать далее

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Ganz in Weiß

Für Volya (Name geändert) aus Minsk begannen die Proteste lange vor den belarussischen Präsidentschaftswahlen. Im Frühjahr 2020 zeichnete sich ab, dass die Ambitionen der Opposition auf eine so noch nicht dagewesene Unterstützung in der Bevölkerung treffen. »Da begann es in unserem Sumpf zu blubbern«, erinnert sich die 31-jährige Fotografin. Swetlana Tichanowskaja schaffte es als Präsidentschaftskandidatin sogar anstelle ihres verhafteten Ehemannes bis auf die Zielgerade.

Nicht nur die Oppositionsführung wurde plötzlich von Frauen dominiert, auch die Straßenproteste erhielten zunehmend ein weibliches Gesicht. Volya sieht diese Zuschreibung ambivalent. Читать далее

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