Aufruhr in Tiflis

In Georgien herrscht politischer Aufruhr. Nach der Parlamentswahl im Oktober erkannte die Opposition zunächst die Wahlergebnisse nicht an und boykottierte Parlamentssitzungen, im Februar trat Ministerpräsident Giorgi Gacharia zurück. Nun wurde der Oppositionsführer Nikanor Melia festgenommen.

Es waren Szenen wie für das Fernsehen gemacht. Ein riesiger schwarzer Schrank wird umgeworfen, durch die freigewordene Türöffnung drängen behelmte Polizisten in einen Büroraum, ergreifen einen großen Mann mit Glatze und führen ihn ab. Dessen Parteianhänger husten und keuchen wegen einer Tränengasattacke und schreien wütend »Nika!«, können aber seine Festnahme nicht verhindern. Diese Aufnahmen, die der staatliche Fernsehsender Erster Kanal am 22. Februar ausstrahlte, zeigen die jüngste Zuspitzung eines seit 2012 andauernden Konflikts zwischen der regierenden Partei »Georgischer Traum« und der Vereinten Nationalen Bewegung, der Partei des im Exil lebenden ehemaligen Präsidenten Micheil Saakaschwili. Читать далее

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»Elektroschocker kommen massenhaft zum Einsatz«

Die Protestbereitschaft in Russland ist gewachsen, doch die Mehrheit der Bevölkerung bleibt passiv. In seinem jüngst auf Russisch erschienenen Buch »Für Demokratie. Lokalpolitik gegen Depolitisierung« untersucht Aleksandr Samjatin, wie man das ändern könnte.


Moskau, 31. Januar 2012. foto uw

Leonid Wolkow, der Leiter von Aleksej Nawalnyjs aus Regionalstäben bestehender Organisation und faktisch sein Stellvertreter, rief Anfang Februar auf Youtube dazu auf, die gerade erst in Fahrt gekommenen Straßenproteste vorerst einzustellen und sich der Vorbereitung auf die Duma-Wahlen im September zu widmen. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?

Ich gehöre zu denen, die diese Entscheidung für rational halten. Zwar verstehe ich die Enttäuschung vieler über den unvermittelten Stopp, aber mir scheint klar, dass die Proteste in dieser Form so oder so relativ schnell ­wieder abflauen würden. Das wiederum würde zu ­Demoralisierung und Energieverlust führen, weshalb ich denke, es ist besser, rechtzeitig die Bremse zu ziehen. Einige hegen die Illusion, dass diese Proteste einen revolutionären Verlauf nehmen könnten, aber diese Annahme teile ich nicht. Bestenfalls handelt es sich um ein ganz frühes Stadium von Protesten, noch nicht einmal um eine Situation wie im Jahr 1905. Читать далее

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Im Wettlauf mit der Polizei

In Russland dauern trotz Massenfestnahmen die Proteste gegen die Inhaftierung des Oppositionspolitikers Aleksej Nawalnyj an.

Am Sonntag verwandelte sich das gesamte Moskauer Stadtzentrum in eine Sperrzone. Es wimmelte nur so von behelmten Angehörigen diverser Polizeisondereinheiten und Nationalgardisten, die Ein- und Ausgänge etlicher Metrostationen waren geschlossen. Selbst Ältere können sich kaum erinnern, wann sich die russische Staatsmacht in der Hauptstadt das letzte Mal so demonstrativ zur Einschüchterung Protestwilliger in Stellung gebracht hatte. Die Protestierenden aber fanden sich trotzdem zu Tausenden ein.


Beispielloser Aufmarsch der Staatsmacht. Festnahme in der Kalantschewskaja-Straße in Moskau am 31. Januar. Foto uw
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Schlagabtausch im Gerichtssaal

Ob Alexej Nawalny die kommenden Jahre in Haft bleibt, wollte am Dienstag das zuständige Gericht in Moskau erst am Abend entscheiden. Mit einer Freilassung des nach seiner Rückkehr aus Berlin im Januar festgenommenen Oppositionspolitikers rechnete niemand. Im Kern ging es bei der gestrigen Verhandlung um einen Antrag der Justizvollzugsbehörde, die aufgrund von Verstößen gegen Bewährungsauflagen die Umwandlung eines Urteils wegen Betrugs vom Dezember 2014 in eine dreieinhalbjährige Haftstrafe gefordert hat. Im Übrigen kam der Europäische Menschenrechtsgerichtshof 2017 zu dem Schluss, dass Nawalnys Recht auf ein faires Verfahren nicht gewährleistet war, und hielt den Anspruch auf Entschädigung für gegeben. Russland ließ sich zwar auf die Geldzahlung ein, hob jedoch das Urteil nicht auf. Читать далее

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Staatliche Repressionen in Russland

Vergangenen Sonntag, den 31.01.2021 folgten erneut tausende Menschen dem Aufruf von dem russischen Oppositionellen Alexej Nawalny und gingen landesweit auf die Straße, um gegen die Inhaftierung von Nawalny zu protestieren. Die russische Regierung reagierte darauf mit mehr als 4.800 Verhaftungen unter Einsatz von Elektroschocks. Derartige landesweite Massenproteste gab es in der jüngeren Geschichte von Russland so nicht. Wir sprachen mit der freien Journalistin und Russlandkorrespondentin Ute Weinmann, die in Moskau lebt, vorerst über die Proteste, deren Inhalt und Koordination und die Möglichkeiten der politischen Selbstorganisation in Russland.

Radio Corax

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Massenproteste in Russland: Nicht nur für Nawalny

Es waren vielleicht nicht genug, aber sehr viele. Am Samstag gingen Menschen von Wladiwostok bis Kaliningrad massenweise auf die Straße, allein in Moskau protestierten bis zu 40 000. Anlass war ein Aufruf von Aleksej Nawalny, der Forderung nach seiner Freilassung Ausdruck zu verschaffen. Denn von der Reaktion der russischen Gesellschaft auf die Festnahme nach seiner Rückkehr aus Berlin hängt ab, wie lange er in Haft bleibt.

Bislang wagte es nur eine kleine Minderheit, mit ihrer Kritik an den Verhältnissen an die Öffentlichkeit zu gehen. Oft handelte es sich nur um lokale Ereignisse, die Menschen zu aktivem Handeln bewegten. Am 23. Januar trat indes ein, was äußert selten passiert: In der Hauptstadt und in den Regionen fanden zeitgleich Proteste mit einer gemeinsamen Agenda statt. Читать далее

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Nawalny-Proteste heizen Russland ein

Am Samstag ertönte in ganz Russland die Forderung nach der Freilassung von Aleksej Nawalny. Der direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland festgenommene rechtsliberale Oppositionspolitiker hatte für den 23. Januar zu Protestaktionen aufgerufen. In über 100 Städten folgten Menschen seiner Aufforderung und viele Orte vermeldeten sogar die größten Kundgebungen der letzten Jahre. Allein in Moskau zählte die Nachrichtenagentur Reuters bis zu 40 000 Teilnehmende, während die Polizei von 4000 sprach. Selbst in Jakutsk ließen sich aufgebrachte Bürgerinnen und Bürger bei bitterkalten minus 50 Grad nicht davon abhalten, durch die Straßen zu ziehen.


Foto uw
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»Historischer Sieg«

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Russland mehrerer Menschenrechtsverletzungen im Nachgang des Krieges gegen Georgien 2008 für schuldig befunden. Am Donnerstag gaben die Straßburger Richter dem Kläger Georgien in 15 von 16 Anklagepunkten Recht. Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili sprach von einem »historischen Sieg«.

Zwölf Jahre lang hatte sich der Gerichtshof Zeit genommen für eine Entscheidung, die Präzedenzcharakter für eine ganze Region haben kann. Bereits im August 2008 hatte Georgien die Klage gegen Russland eingereicht. Als Anlass dienten die damaligen fünftägigen Kampfhandlungen in den völkerrechtlich zu Georgien gehörenden Republiken Südossetien und Abchasien zwischen georgischen, russischen und lokalen Militäreinheiten. Читать далее

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Riskante Rückkehr

Der russische Oppositionelle Aleksej Nawalnyj wurden bei seiner Ankunft in Moskau sofort inhaftiert. Die Regierung reagiert auf jede politische Herausforderung nervös.

Mit einer Linienmaschine des Billigfluganbieters Pobeda kehrte Aleksej Nawalnyj am Sonntag zurück nach Russland. Pobeda heißt zwar Sieg, aber für den russischen Oppositionspolitiker wäre es schon ein Erfolg, die kommenden Monate oder Jahre auf freiem Fuß zu verbringen. Sofort nach seiner Ankunft bei der Passkontrolle nahmen ihn Uniformierte fest und brachten ihn auf eine Polizeiwache im Moskauer Vorort Chimki. Dort und nicht im Gericht wurde er am folgenden Tag dem Haftrichter vorgeführt und zunächst für 30 Tage inhaftiert – rechtswidrig. Die im Gerichtsentscheid angeführten Paragraphen der Strafprozessordnung und des Strafvollzugsgesetzes sind bei einer vorläufigen Festnahme nicht anwendbar. Читать далее

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Nawalny ist nicht willkommen

Es war in den vergangenen Wochen ruhig geworden um Alexej Nawalny. Zu ruhig für den Kremlkritiker, der die russische Führung nach dem Anschlag auf ihn mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok in arge Erklärungsnot gebracht hatte. Dass es sich bei seinem Überleben möglicherweise um ein Versehen handelte, um mangelnde Professionalität des Inlandsgeheimdienstes FSB, darauf deuteten im Dezember veröffentlichte Ergebnisse des internationalen Recherchenetzes »Bellingcat« und des russischen Investigativportals »The Insider« hin. Der monatelange Auslandsaufenthalt des rechtsliberalen Oppositionspolitikers zur medizinischen Behandlung gönnte russischen Behörden zumindest eine Atempause. Nawalnys Ankündigung, aus Berlin nach Russland zurückzukehren, dürfte im Kreml auf wenig Begeisterung getroffen sein. Читать далее

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