In Veränderung

Russlands extreme Rechte

Die extreme Rechte in Russland befindet sich im Wandel. Spaltungen, Auflösungen und staatliche Repression kennzeichnen das Bild einerseits. Andererseits wachsen die organisatorischen und ideologischen Überschneidungen zu staatsnahen Organisationen. 

Die russische gemäßigte Rechte steckt in einer tiefen organisatorischen Krise, wie schon seit langem nicht mehr. Bereits im Dezember 2008 löste sich die Partei „Volksbund“ („Narodnyj Sojuz“) von Sergej Baburin auf. Mit dem Weggang von Alexander Sewastjanow verlor die „Nationale Großmachtspartei“ (NDPR) nicht nur ihren charismatischen Anführer, sondern auch an politischem Gewicht. Der lange Zeit allgegenwärtigen „Bewegung gegen illegale Immigration“ (DPNI) macht die Spaltung in eigenständige Organisationen zu schaffen. Auch andere im nationalistischen Spektrum zu verortende Organisationen verlieren zusehends an öffentlicher Präsenz. Im extrem rechten Spektrum sieht es ähnlich aus. Nach zahlreichen Aufspaltungen ist beispielsweise von der „Nationalsozialistischen Gesellschaft“ kaum mehr etwas zu vernehmen.

Schlagzeilen machten prominente rechte Akteure dafür häufiger als Angeklagte in Gerichtsprozessen, so auch Alexander Below, der ehemalige Anführer der DPNI. Ende Mai verurteilte ihn ein Moskauer Gericht wegen Volksverhetzung zu einer Haftstrafe von anderthalb Jahren auf Bewährung. Gegenstand der Verhandlungen war ein Vorfall vom 4. November 2007, als Below sich beim „Russischen Marsch“ an die versammelten Zuhörer mit den Worten richtete: „Ihr seid die wirkliche Macht, nicht diejenigen, die sich in der Torarolle verstecken.“ In Bezug auf Gewaltdelikte wird ebenfalls zusehends häufiger ermittelt, auch wenn nach wie vor nur ein Bruchteil davon aufgeklärt wird und zu einer Verurteilung führt.

Konkurrenzdruck

Mit Beginn der Wirtschaftskrise hat die russische Rechte eine zunehmend starke Konkurrenz bekommen. Organisationen wie die offizielle Jugendorganisation der Kremlpartei „Einiges Russland“, „Molodaja Gwardija“ („Junge Garde“), die „Mestnyje“ („von hier“ oder die „Lokalen“) oder „Rossija Molodaja“ („Junges Russland“) haben insbesondere durch ihre gegen Arbeitsmigranten gerichteten Kampagnen von sich reden gemacht. Mit ihren Forderungen für Zuwanderungsbeschränkungen und Einreiseverbote standen sie der rechtspopulistischen Agitation einer DPNI, die ihren Nachwuchs unter anderem in der Neonaziszene rekrutiert, in nichts nach. Anschuldigungen wegen gezielt geschürter Fremdenfeindlichkeit weisen sie zwar weit von sich, was in der Sache jedoch nichts ändert. „Rossija Molodaja“ demonstrierte ihre inhaltliche Nähe zum nationalistischen Spektrum zudem durch gemeinsame Aktionen mit der Bewegung „Russkij Obraz“ („Russische Art“).

Womöglich nicht zuletzt aufgrund der seit dem vergangenen Jahr intensivierten Strafverfolgung gegenüber der extremen Rechten finden Kreml-nahe Organisationen Zulauf aus dem rechten Spektrum. Ein politischer Seitenwechsel bedeutet dies nur insofern, als sich die Zugehörigkeit der Überläufer damit formal gesehen von sich oppositionell positionierenden Strukturen auf regierungsloyale Gruppen überträgt. De facto setzen jene ihre politische Linie fort, ohne ein großes Risiko hinsichtlich etwaiger Strafverfolgung einzugehen. Jugendorganisationen wie „Rossija Molodaja“ geraten dadurch zum ideologischen und organisatorischen Bindeglied zwischen offizieller Politik und der nationalistischen Rechten bis hin zu bekennenden Neonazis.

Diese Tendenz hinterlässt bereits jetzt ihre Spuren. So erschien im Februar auf der offiziellen Homepage der „Junggardisten“ ein geschichtsrevisionistischer Beitrag über den Holocaust. Die folgende Diskussion führe zwar dazu, dass der Text aus dem Netz verschwand, gleichzeitig meldeten sich jedoch Anhänger der Garde zu Wort und verteidigten die Publikation.

Schützenhilfe erhalten die Kremlaktivisten von offizieller Seite. Arbeitsmigranten mussten als Sündenböcke für die krisenhafte Entwicklung der russischen Wirtschaft herhalten. Teils mit gefälschten oder unseriösen statistischen Angaben, teils nur mit einem behaupteten logischen Zusammenhang argumentierend, verbreiteten Vertreter unterschiedlicher Behörden die Mär von einer unter entlassenen Arbeitsmigranten enorm angestiegenen Alltagskriminalität.

Staatsdruck

Im Übrigen wird das Thema politische Strafverfolgung in der kommenden Zeit an Aktualität gewinnen. Im Herbst 2008 erfolgte im russischen Innenministerium eine wegweisende Strukturreform. Aufbauend auf der Abteilung für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen entstand das Zentrum „E“ für „Extremismus“. Unter diese Definition fallen neben der extremen Rechten und Islamisten zusehends auch Antifaschisten.

Welche Blüten der Kampf gegen die Verbreitung tatsächlicher oder vermeintlicher rechter Symbolik treibt, zeigt ein Beispiel aus St. Petersburg. Anfang Juni sprach die Staatsanwaltschaft dem Betreiber eines Rockmusik-Ladens eine Verwarnung aus. Der Grund war der Handel mit Gegenständen, auf denen das Logo der Punk-Band „Bad Religion“ abgebildet ist – ein durchgestrichenes Kreuz im Kreis. Eine Sprecherin sagte, dass Vertreter der orthodoxen und der katholischen Kirche darauf hingewiesen hätten, das Logo stehe für Intoleranz hinsichtlich der nationalen, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit.

Ebenfalls weniger gegen russische Neonazis, als gegen inkorrekte Darstellungen von Ereignissen der Kriegs- und Nachkriegsgeschichte richtet sich ein Gesetzesprojekt, das die Partei „Einiges Russland“ zum 9. Mai, dem Tag es Sieges, in die Duma eingebracht hatte. Bis zu fünf Jahren Haft riskieren Autoren danach beispielsweise für eine unglücklich formulierte Kritik an dem Vorgehen der alliierten Streitkräfte.

Ute Weinmann

Der Rechte Rand Nr. 119

 

 

 

 

 

 

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