Small Talk von Ute Weinmann
Wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt wurde der 20jährige Student Vsevolod Ostapov in der vergangenen Woche in Moskau zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Am Abend des 4. April 2008 hatte er mit einer Gruppe junger Leute aus der anarchistischen Szene auf dem Platz vor der Metrostation Sokolniki Bier getrunken. Das ist an sich nicht verboten, ein Milizionär verlangte dennoch seinen Ausweis und forderte Verstärkung an, da Ostapov sich nicht grundlos festnehmen lassen wollte und seine Freunde eine Kette bildeten, um ihn zu schützen. Jemand versprühte Tränengas, und die Milizionäre griffen zu Elektroschockern. Mehrere Festgenommene wurden später in der für Gewaltexzesse berüchtigten Wache Sokolniki schwer misshandelt, wobei einer von Ostapovs Freunden einen Herzinfarkt erlitt. Die Ermittlungen gegen die gewalttätigen Milizionäre verlaufen schleppend und wurden bereits zweimal eingestellt.
Warum hat der Milizionär im April 2008 ausgerechnet dich angesprochen? An den Metrostationen ist doch immer viel los.
Ich bin über 18 Jahre alt und man hat bei mir ein Gasspray gefunden. Damit eigne ich mich hervorragend als Objekt für die Miliz.
Was bedeutet das Urteil?
Ehrlich gesagt hat mich das Urteil nicht verwundert, obwohl ich mit einem Freispruch gerechnet hatte. Schließlich bin ich unschuldig. Aber es ist wohl so, dass jemand, der unschuldig ist, in Russland generell zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt wird.
Rechnest du mit Schwierigkeiten an der Universität?
Man hat mir inzwischen gesagt, dass ich von Rechts wegen nicht von der Universität verwiesen werden kann.
Wie war die Reaktion auf das Urteil? Hätte eine öffentliche Kampagne dir helfen können?
Die ganze Angelegenheit erregte relativ viel Aufmerksamkeit. Es gab eine richtig gute Unterstützungskampagne, und die Medien hatte ich fast alle auf meiner Seite. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das noch besser laufen könnte.
Im Westen dient der Fall des Unternehmers Michail Chodorkowski als Paradebeispiel für das ungerechte Justizwesen in Russland. Siehst du dich in einer Reihe mit ihm?
Chodorkowskij ist ein politisches Opfer des Systems, ich hingegen bin ein gewöhnliches Opfer der russischen Ordnungsbehörden. Ich hatte einfach das Pech, in den Mechanismus der Justiz zu geraten.