Neuer Nachbar, alte Konflikte

Die russische Regierung reagiert ignorant auf die Annäherungs­versuche des neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Die Krim will sie nicht zurückgeben, für die »Volksrepubliken« im Donbass lässt sie russische Pässe ausstellen.

Die Krim wird wieder ukrainisch – mit dieser Botschaft warb Wolodymyr ­Selenskyj während seines Wahlkampfs für sich und bekräftigte auch am Tag seiner Amtseinführung als ukrainischer Präsident, dass sowohl der Donbass als auch die Krim ukrainisches Hoheitsgebiet seien. Schon vor drei Jahren hatte der russische Präsident Wladimir Putin zu Selenskyjs Amtsvorgänger, ­Petro Poroschenko, gesagt, dass die Zugehörigkeit der Halbinsel im Schwarzen Meer endgültig zu Russland gehöre und das nicht zur Debatte stehe. ­Geändert hat sich daran bis heute nichts. Читать далее

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Iwan Golunow ist frei


«Leute. So nicht». Foto uw

Solidarität zahlt sich aus. Iwan Golunow ist frei, das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt. Jetzt stellt sich die Frage, ob der russische Machtapparat nicht nur in diesem Fall bereit ist einzulenken. Der tschetschenische Menschenrechtler Ojub Titijew, dem ebenfalls Drogen zugesteckt worden waren, kommt vorzeitig aus der Haft frei. Gleichzeitig laufen zahlreiche Strafverfahren gegen Aktivistinnen und Aktivisten in Pensa, St. Petersburg, Jekaterinburg oder im Norden, wo sich Menschen gegen die Errichtung einer Mülldeponie für Abfälle aus Moskau zur Wehr setzen. Einigen von ihnen drohen hohe Hafstrafen. Andere, wie Oleg Sentsow oder Alexander Koltschenko von der Krim, wurden bereits zu langjährigem Freiheitsentzug verurteilt. Читать далее

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Das «Netzwerk»

Neun junge Leute aus der antifaschistischen Szene Russlands drohen bis zu zwanzig Jahren Haft. Das Terrorismusverfahren beruht auf fragwürdigen Beweismitteln und Aussagen unter Folter.

Die 23-jährige Alexandra Aksjonowa hätte gute Chancen gehabt, ebenfalls auf der Anklagebank in St. Petersburg zu sitzen. Ihr Ehemann, der 24-jährige Programmierer Wiktor Filinkow, steht dort seit Anfang April vor einem Militärgericht. Filinkow und seinem Mitangeklagten, dem 27-jährigen Juli Bojarschinow, drohen wegen «Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung» bis zu zehn Jahre Haft.

Die beiden jungen Männer sollen mit politischen Aktivisten aus Pensa – einer Provinzstadt etwa 600 Kilometer südöstlich von Moskau – einer verbotenen Terrororganisation mit dem profanen Namen «Das Netzwerk» angehören. In Pensa sind sieben weitere junge Männer in diesem Fall angeklagt, darunter Dmitri Ptschelintsew und Ilja Schakurski, denen gar Haftstrafen von bis zu zwanzig Jahren drohen, weil sie die «terroristische Vereinigung» gegründet haben sollen.
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Moskaus Müll ist nicht erwünscht

In der russischen Taiga soll in einem ökologisch empfindlichen Gebiet eine Mülldeponie für Abfälle aus dem 1 200 Kilometer entfernten Moskau entstehen. Die lokale Bevölkerung protestiert dagegen, weil sie Umweltschäden befürchtet.

Mitten in der einsamen Weite der russischen Taiga liegt Schijes. Schon lange ist der an der Grenze des Oblasts Archangelsk zur benachbarten Republik Komi gelegene Ort unbewohnt. Früher gab es in der Gegend sogenannte Sondersiedlungen, in die Russlanddeutsche vor dem Zweiten Weltkrieg umgesiedelt worden waren. Heute sind nur noch wenige von ihnen hier ansässig. Bis in die Stadt Archangelsk sind es von Schijes aus über 700 Kilometer, bis Moskau 1 200 Straßenkilometer. Читать далее

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Das konstruierte Terrornetzwerk

In St. Petersburg stehen Anarchisten und Antifaschisten vor Gericht. Die Anklage beruht auf Aussagen, die unter Folter erpresst wurden.

Am 8. April startete in St. Petersburg der Prozess gegen Mitglieder einer vermeintlichen Terrorgruppe, die in den Ermittlungsakten unter dem Namen «Netzwerk» figuriert. Zwei dem anarchistischen und antifaschistischen Spektrum zugehörige Angeklagte, Wiktor Filinkow und Julij Bojarschinow, müssen sich vor einem eigens angereisten Moskauer Militärtribunal verantworten. Einen dynamischen Ablauf hatte der Vorsitzende Richter angekündigt. Selbst Videoaufnahmen wurden gestattet. Allerdings fanden längst nicht alle der zur Prozessbeobachtung eingetroffenen Angehörigen, Journalisten, Freunde und Bekannte in dem kleinen Raum Platz. Allzu viel öffentliche Aufmerksamkeit schien dem Gericht offenbar nicht angebracht. So waren am dritten Tag bereits am frühen Morgen fast alle Plätze von unbeteiligten Jurastudenten besetzt. Читать далее

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Eine Win-Win-Situation

Teile der politischen Elite in Russland sehen in der AfD einen willkommenen Bündnispartner

In Russland sind Delegationen der AfD willkommene Gäste. Bundestagsabgeordnete wie Markus Frohnmaier sprechen aus, was die russische Führung auch von anderen Politikern im Westen erwartet. Die Zusammenarbeit mit der kremlnahen Partei Einiges Russland ist längst institutionalisiert.

Zu den sichtbaren Auswirkungen enger Kontakte gehört, dass Frohnmaier und seine Kollegen die Krim besuchen und Wahlen einen sauberen Ablauf bescheinigen. Die Hinweise auf eine Unterstützung Frohnmaiers vor den letzten Bundestagswahlen durch den Kreml spielen in der russischen Öffentlichkeit jedoch kaum eine Rolle. Enthüllungen wie diese werden in Russland kaum kritisch begleitet. Und das, obwohl es offensichtlich nicht allein um die Normalisierung des angespannten Verhältnisses zur Europäischen Union geht, sondern um die Durchsetzung fundamentaler Interessen der russischen Führung im internationalen Kontext. Читать далее

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Russisches »Netzwerk« vor Gericht

Antifaschisten sollen Anschläge geplant haben

Am 8. April startete vor einem Militärtribunal in St. Petersburg der Prozess gegen zwei Anarchisten und Antifaschisten. Der Vorwurf gegen Wiktor Filinkow und Julij Bojarschinow lautet auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, die der Staat jüngst unter dem Namen »Netzwerk« in ein Register verbotener Terrororganisationen eintragen ließ, in dem fast ausschließlich islamistische Gruppen aufgeführt sind. Das »Netzwerk« soll eine Reihe von Anschlägen mit dem Ziel geplant haben, einen Umsturz herbeizuführen. Zwei vermeintliche Anführer und einige weitere Angeklagte warten derzeit in Pensa auf den Beginn ihrer Gerichtsverhandlung, die für den 25. April angekündigt wurde. Читать далее

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Säkular und vital

In der kleinen Gemeinde in der Stadt Šiauliai hat man mit Religion nicht viel am Hut.


Sania Kerbelis. Foto uw

»Sollen wir zuerst essen oder reden?« An einem langgezogenen Tisch im Keller eines alten Hauses in der nordlitauischen Stadt Šiauliai sitzen mehr als 20 Menschen. Die Frage des aus der Hauptstadt Vilnius angereisten Rabbiners ruft eine lebhafte Diskussion hervor, an der sich fast alle lautstark beteiligen. Der Jüngste unter ihnen ist Ende 30, der Älteste über 80 Jahre alt.
Ihnen allen machen zunehmende Differenzen innerhalb der litauischen jüdischen Gemeinde stark zu schaffen. Sie hoffen, in Rabbiner Sholom Ber Krynski einen starken Mittler und Fürsprecher in der Hauptstadt gefunden zu haben. Sie wollen Tacheles reden. Zunächst entscheiden sie sich aber fürs Essen. Читать далее

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Repression auf der Krim

Mit dem größten Einsatz von Spezialeinheiten auf der Halbinsel beginnt Russland das sechste Jahr der Annexion.

Tatsachen zu schaffen, kann eine recht teure Angelegenheit sein. Was die Annexion der Krim durch Russland vor mittlerweile fünf Jahren angeht, finden sich trotzdem genügend Profiteure. Und es gibt auch jene zuhauf, die sich weniger an etwaigen materiellen Vorteilen erfreuen; sie wollen einer mehr von der Vergangenheit als der Gegenwart getragenen »russischen Welt« angehören. Vom Standpunkt der Kosten-Nutzen-Rechnung betrachtet, gehört jedoch selbst ein Teil der Gewinner eher zu den Verlierern.

Seit 2014 sanken die Realeinkommen der russischen Bevölkerung, außer auf der Krim, die ihr Budget zu zwei Dritteln mit Transferleistungen aus dem russischen Staatshaushalt deckt. Читать далее

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Auf den Playlists der Zensoren

HipHop und Rap standen in Russland bislang nicht gerade unter Oppositionsverdacht. Doch seitdem sich die Musikszene politisiert, reagiert der Staat mit Konzertverboten.

Während Oppositionelle und politisch auffällige Gruppen schon lange staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sind, sah sich die nichtkonforme Musikszene in Russland bislang eher nur mit punktuellen Gängeleien konfrontiert. Das Jahr 2018 setzte hier neue Maßstäbe. Als subversiv gelten nicht nur protestierende Jugendliche, sondern nun auch ihr Musikgeschmack. Da ist zum Beispiel der Rap. Er fand in Russland erst vor kurzem Anerkennung als fester Bestandteil moderner Kultur – und geriet gleich ins Visier der Sicherheitsbehörden.

Von Dutzenden Konzertverboten im ganzen Land betroffen waren diverse Musiker. Schlagzeilen machte jedoch erst die Festnahme von Husky, mit bürgerlichem Namen Dmitri Kusnezow. Читать далее

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