Neonazis morden, der Staat schaut nach links

Vor zehn Jahren ermordeten Neonazis Stanislaw Markelow und Anastasia Baburowa. Danach gingen russische Behörden zunächst härter gegen rechtsextreme Gruppen vor, doch jüngst haben Neonaziangriffe wieder zugenommen.

Es ist einer jener Jahrestage, die es besser nie gegeben hätte. Vor genau zehn Jahren, am 19. Januar 2009, ermordeten russische Neonazis in Moskau den Anwalt Stanislaw Markelow und die Journalistin Anastasia Baburowa. Dem Doppelmord waren Hunderte gewalttätige, politisch motivierte Angriffe mit Todesfolge vorausgegangen. Ziel organisierter Neonazigruppen waren nicht nur Antifaschisten und Antifaschistinnen wie Markelow und Baburowa, sondern hauptsächlich Menschen aus Zentralasien und dem Kaukasus. Dass die Zahl der Todesopfer rechtsextremen Terrors seit 2009 deutlich zurückging, liegt in erster Linie daran, dass die Strafverfolgungsbehörden, seither härter gegen diesen vorgingen, wohl aus Angst, die teils gut bewaffneten Banden könnten völlig außer Kontrolle geraten. Mehrjährige Haftstrafen bis hin zu lebenslänglich – was in Russland tatsächlich Freiheitsentzug bis zum Lebensende bedeutet – für Angehörige des extrem rechten Milieus folgten.


«Antifaschismus heißt Handeln» — das Motto der Demonstration zum 10. Todestag. Foto uw.
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Im Visier der Nationalisten

Vor zehn Jahren ermordeten russische Neonazis die Antifaschisten Stanislaw Markelow und Anastasia Baburowa in Moskau.

Vor genau zehn Jahren fielen die tödlichen Schüsse. Mitten im Moskauer Stadtzentrum am helllichten Tag. Stanislaw Markelow verstarb an Ort und Stelle, seine Begleiterin Anastasia Baburowa erlag ihrer schweren Kopfverletzung im Krankenhaus. Mit nur 34 und 25 Jahren. Markelow befand sich auf dem Weg zur Metro nach einer Pressekonferenz anlässlich der vorzeitigen Haftentlassung des ehemaligen Oberst Jurij Budanow. Dieser verbüßte eine Strafe wegen Mordes an einer jungen tschetschenischen Frau, Elsa Kungajewa. Den Tatbestand der Vergewaltigung ließ die Anklage fallen. Als Anwalt der Familie des Opfers trat Markelow vehement gegen die Freilassung Budanows auf. Zunächst vermutete man daher, Markelow und die als freie Mitarbeiterin für die oppositionelle Zeitung »Novaya Gazeta« schreibende Journalistin Anastasia Baburowa könnten einem Racheakt des Oberst zum Opfer gefallen sein.


Der Menschenrechtler Lew Ponomarjow war bislang immer einer der offiziellen Demonstrationsveranstalter am 19. Januar. Wegen angeblichen Verstosses gegen das Versammlungsgesetz bei einer Veranstaltung zur Unterstützung für wegen Terrorismus angeklagter Antifaschisten darf er bis auf Weiteres keine Kundgebungen mehr anmelden. Foto uw

Erst Wochen später tauchte ein Bekennerschreiben der »Kampforganisation russischer Nationalisten«, kurz BORN, auf. Читать далее

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Neue Verfolgungswelle trifft Homosexuelle

Tschetschenische Regierung bezeichnet die Anschuldigungen als »Lüge«

»In Tschetschenien gibt es erneut Massenfestnahmen, Folter und Mord an Schwulen und Lesben.« Mit diesen Worten beginnt Igor Kotschetkow, Programmdirektor des russischen LGBT-Netzwerks, seine Videoansprache, die Mitte Januar auf Youtube veröffentlicht wurde.
Erst im Dezember beschäftigte sich der ständige Rat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa mit einem umfangreichen Bericht über die Verfolgung Homosexueller in der russischen Nordkaukasusrepublik. Im Zeitraum von Ende Februar bis zum Sommer 2017 wurden nicht weniger als 200 Menschen festgenommen und in inoffiziellen Gefängnissen physischer Gewalt und Folter unterworfen. Als Anlass dienten Polizei und Nationalgarde einzig und allein der Verdacht auf eine, wie es im russischen Jargon heißt, »nichttraditionelle sexuelle Orientierung«. Читать далее

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Rapper als Regierungsschreck

In Russland stellen die Strafverfolgungsbehörden Rappern nach, die Kritik an der Regierung verbreiten oder für moralischen Verfall verantwortlich gemacht werden. Die Rapper solidarisieren sich miteinander.

Politische Risiken im russischen Musik­business waren bislang leicht kalkulierbar. Wer in den vergangenen Jahren dem ukrainischen Staat zu viel Sympathien entgegenbrachte oder gar die Annexion der Krim durch Russland offen kritisierte, musste mit Schikanen und lokalen Auftrittsverboten rechnen. Bei russischen Rappern sind derart eindeutige Positionen selten, von Ausnahmen wie Iwan Aleksejew alias Noize MC abgesehen.

Umso mehr fällt daher auf, dass die Strafverfolgungsbehörden nun russische Rapper und Popstars angehen. Читать далее

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Perestroika ohne Putin

1989 sollten Reformen das Sowjetsystem retten. Mittlerweile ist in Russland die Bereitschaft zur Veränderung der Resignation gewichen. Die Macht hat weiterhin nur eine kleine Führungsclique.

Glasnost, Perestroika, Uskorenije – drei Zauberworte einer wenige Jahre andauernden historischen Periode, die den Abschied vom real existierenden Sozialismus eingeleitet hat. Das waren noch Zeiten, als russisches Vokabular im Westen für Progressivität und die naive Hoffnung stand, durch Abmilderung unüberwindlicher Systemwidersprüche der ganzen Welt mehr Sicherheit und Wohlstand zu verschaffen. Und das, obwohl dieses Motto aus dem Parolenproduktionslabor sowjetischer Propagandaexperten stammte, weshalb sie in der Sowjetunion selbst, wenn nicht mit Skepsis, so doch mit Desinteresse aufgenommen wurden.
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Es wird eng auf dem Meer

Der Angriff russischer Grenzschützer auf ukrainische Schiffe in der Straße von Kertsch ließ den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine erneut eskalieren.

»Drück ihn von rechts!« Der Blick richtet sich von der Brücke des Schiffs der russischen Küstenwache hinab auf einen Schlepper mit ukrainischem Hoheitszeichen. Aus dem Off ertönt ein emotional vorgetragener Kraftausdruck nach dem anderen, während auf dem Video zu sehen ist, wie sich das russische Schiff »Don« in schneller Fahrt dem wesentlich kleineren Schlepper nähert und ihn schließlich seitlich rammt. Schauplatz ist die Straße von Kertsch, die das Schwarze Meer mit dem Asowschen Meer verbindet; diese zu passieren versuchten zwei bewaffnete ukrainische Patrouillenboote sowie ein Schlepper der Marine erfolglos. An jenem 25. November kamen auch Schusswaffen zum Einsatz, wobei drei ukrainische Seeleute Verletzungen davontrugen. Читать далее

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Ein Bekennerschreiben per «Telegram»

Ein Siebzehnjähriger legte einen Sprengsatz im Gebäude des russischen Geheimdiensts FSB – aus Solidarität mit jungen Aktivisten, die vom FSB gefoltert wurden. Der Jugendliche kam beim Anschlag ums Leben.

Am frühen Morgen des 31. Oktober explodierte in einem Gebäude des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB im nordrussischen Archangelsk ein Sprengsatz. Drei Mitarbeiter der Behörde trugen Verletzungen davon, ein junger Mann, der die Explosion ausgelöst hatte, starb. Es dauerte nicht lange, bis dessen Identität feststand: Michail Zhlobitski, siebzehn Jahre alt, Schüler einer technischen Berufsschule. Seine Tat hatte er keine zehn Minuten vor Betreten des Gebäudes über einen Kanal im Messengerdienst Telegram angekündigt. Auch über seine Motivation wollte er keine Zweifel aufkommen lassen. Unter dem Pseudonym Walerjan Panow wandte er sich an Gleichgesinnte mit der Bitte, zu verbreiten, wer den Anschlag verübt habe und weshalb. Der FSB fabriziere Strafsachen und wende Folter an. Zum Schluss wünscht er eine «glänzende Zukunft des anarchistischen Kommunismus». Читать далее

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Gegen Migration, Ausländer und Minderheiten

Die Forderungen des diesjährigen Russischen Marsches gleichen denen der europäischen Rechten

Der 4. November steht im Zeichen des Russischen Marsches. Wie jedes Jahr will die russische extreme Rechte am Tag der Volkseinheit Stärke zeigen. In vielen Städten sind Aufmärsche angemeldet, auch die Moskauer Behörden erteilten nach mehreren Absagen eine Genehmigung für eine Demonstration im Stadtteil Ljublino, weit entfernt vom Zentrum. Dort versammeln sich an dem Tag traditionell Neonazis und nationalrevolutionäre Gruppierungen, während Nationalpatrioten und rechtskonservative Kräfte ihren Marsch im Westen der Stadt abhalten. In den vergangenen vier Jahren organisierte der Kreml in der Hauptstadt eigene Großveranstaltungen, um Einigkeit zu demonstrieren. Im Bewusstsein vieler Russen ist der Feiertag trotzdem noch nicht angekommen. Alternativ setzt der Staat nun auf kleinere Festivals zum Thema Nationalitätenvielfalt.

Wladimir Ratnikow vom «Schwarzen Block» beim Aufmarsch von 2017. Jetzt sitzt er in U-Haft. Foto uw Читать далее

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Streit unter Patriarchen

Die Russische orthodoxe Kirche hat angekündigt, den Kontakt zum Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel abzubrechen. Dieses hatte die Unabhängigkeit der Ukrainischen orthodoxen Kirche vom Moskauer Patriarchat anerkannt.

Beim radioaktiven Zerfall lassen sich statistische Aussagen über den Ablauf und Halbwertszeiten machen. Geht es um kirchliche Spaltungsprozesse, bei denen teils Jahrhunderte zurück­liegende Vereinbarungen über Vollmachten und Zugehörigkeiten in Frage gestellt werden, bleiben Prognosen naturgemäß ungenau. Für Aufruhr in der christlichen Orthodoxie sorgte jüngst die ­Russische Orthodoxe Kirche mit ihrem Oberhaupt, Patriarch Kyrill I. Am 15. Oktober tagte die Synode in der belarussischen Hauptstadt Minsk und ­kündigte den vollständigen Bruch mit dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel an. In seiner Radikalität erinnert dieser Schritt an die Auflösung der Sowjetunion.

Foto uw

Die Vorgeschichte lässt sich kurz zusammenfassen, auch wenn zahlreiche Details zur historischen Dimension der Orthodoxie in der Ukraine dabei wichtig sind. Читать далее

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Von Einheitsfront keine Spur


Alle Macht den Arbeitern. Foto uw

Von Kampfstimmung ist die russische Linke derzeit weit entfernt. Davon war schon nicht mehr viel zu spüren, als Ende September die Abgeordneten der russischen Duma mit großer Mehrheit der Erhöhung des Renteneintrittsalters zustimmten und damit eine ihrer unpopulärsten Entscheidungen trafen. Die totale Niederlage nach einer kurzen Protestwelle, die nie so richtig in Schwung kommen wollte, zeichnete sich schon vorher ab. Als sich Präsident Wladimir Putin Ende August zu Wort meldete mit dem Vorschlag, Frauen sollten in Zukunft nicht wie im Gesetzesprojekt festgeschrieben mit 63 Jahren, sondern mit 60 Jahren ihre Rentenansprüche geltend machen können, galt dies als Vorbote für ein Szenario, das sich nicht mehr korrigieren lässt. Für Männer gab es keine Zugeständnisse, obwohl ihre Lebenserwartung nur knapp über dem nun festgelegten Rentenalter von 65 Jahren liegt. In vielen Regionen fällt sie noch geringer aus. Читать далее

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