Vorwärts in die Vergangenheit

Die russische Regierung propagiert verstärkt konservative Werte. Was diese zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen sollen, bleibt unklar, doch die Propaganda findet großen Anklang.

Ende Mai haben Russland, Weißrussland und Kasachstan den Grundstein für eine eurasische Wirtschaftsunion gelegt. Ökonomisch stellt die Vertragsunterzeichnung einen bedeutenden Schritt dar, aber dem Gemeinschaftsprojekt fehlt der ideologische Überbau. Sehr zum Bedauern vieler Sowjetnostalgiker. Im kollektiven Gedächtnis bleibt der individuellen Erinnerung oftmals nur ein Platz an Rande oder aber sie wird völlig aus dem Bewusstsein verdrängt. Dies mag teilweise erklären, weshalb die Sehnsucht nach sowjetischen Verhältnissen mancherorts zur treibenden Kraft wird. Unter kapitalistischen Vorzeichen lassen sich lediglich einzelne Komponenten der spätsowjetischen Herrschaftsordnung wiederbeleben, und auch diese nur in veränderter Form. Übrig bleibt der hässlichste Part, nämlich aus nationaler Überheblichkeit gespeister Patriotismus. Читать далее

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Schluss mit Maidan

Nach den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine bleibt die Macht vor allem im ­Osten weiterhin umkämpft. Die Maidan-Opposition hat mittlerweile kaum noch ­etwas zu sagen.

Besser hätte es für den Schokoladen-Oligarchen Petro Poroschenko gar nicht laufen können. Mit seinem klaren Sieg bei den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine am 25. Mai, als er gleich im ersten Durchgang fast 55 Prozent der Stimmen errang, sieht die politische Konkurrenz alt aus. Allen voran Julia Timoschenko, die mit knapp 13 Prozent weit abgeschlagen die Riege der Verlierer anführt. Zu ihnen zählt insbesondere der Teil des Maidan, der als außerparlamentarische Opposition in den Wintermonaten vorübergehend eine relevante politische Größe erreicht hatte. Dessen Vertreterin, die Ärztin Olga Bogomolez, blieb unter zwei Prozent. Gemeinsam ergatterten der Vorsitzende der rechtsextremen Partei Swoboda, Oleh Tjagnybok, und Dmytro Jarosch vom Rechten Sektor ebensowenige Stimmen. Dabei lag die Wahlbeteiligung mit 60 Prozent unter den Erwartungen, und das nicht nur aufgrund der vehementen Behinderungen der Stimmabgabe in den umkämpften selbsterklärten Volksrepubliken Donezk und Lugansk.

In zweierlei Hinsicht setzten die Wahlen eine Zäsur. Читать далее

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Teile und herrsche

Der Einfluss Russlands in der Ostukraine ist unverkennbar. Um die Probleme der dortigen Bevölkerung kümmert sich jedoch niemand.

Wird im Osten der Ukraine gewählt, dann gerne auf russische Art. Oder auch auf tschetschenische, denn die Führung der kleinen Kaukasusrepublik hat ihre Lektion seinerzeit gelernt und lässt nur noch mit Vorzeigeergebnissen und einer überdurchschnittlich hohen Wahlbeteiligung abstimmen. Die Donezker und Lugansker Region haben mit ihren international nicht anerkannten Referenden eine vermeintlich hohe Zustimmung für die Loslösung von Kiew demonstriert und damit ihren ersten Test bestanden. Die beiden neuen, per Blitzabstimmung bestätigten sogenannten Volksrepubliken wollen sich an Russland wenden mit der Bitte um Eingliederung, aber der Kreml zeigt sich desinteressiert, den ukrainischen Osten nach Vorbild der Krim einzuverleiben.

Vielmehr bringen die provisorischen neuen Staatengebilde als unberechenbare Störenfriede auf absehbare Zeit allen prorussischen, oder besser gesagt allen der Kiewer Zentralregierung gegenüber kritischen Akteuren wesentlich mehr Nutzen. Читать далее

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Du sollst nicht fluchen

Das russische Parlament hat ein Gesetz beschlossen, das derbe Sprache in der Öffentlichkeit unter Strafe stellt.

Wer in Russland noch einmal ungestraft von der Theaterbühne herab frei heraus zum Publikum sprechen will, muss sich beeilen. Vom 1. Juli an soll der Gebrauch der Vulgärsprache Mat in Theater, Fernsehen, Medien, bei Lesungen und kulturellen Veranstaltungen unter Strafe gestellt werden. Allerdings gelten die neuen Regeln nur für russische Ausdrücke. Geflucht werden darf in der Öffentlichkeit also weiterhin, allerdings nur noch in einer Fremdsprache. Filme und Bücher, die sich der russischen Vulgärsprache bedienen, werden in Zukunft mit einer besonderen Verpackung und der Aufschrift »Enthält Kraftausdrücke« gekennzeichnet. Bei Verstößen droht eine Geldbuße von umgerechnet 50 Euro, für juristische Personen bis zu 1 000 Euro. Die Vergabe von Verleihlizenzen für Kinofilme wird ebenfalls vom korrekten Sprachgebrauch abhängig gemacht. Kulturschaffende, die wiederholt gegen das Gesetz verstoßen, laufen Gefahr, mit einem Auftrittsverbot belegt zu werden.

An sich ist die Reglementierung und Tabuisierung der russischen Vulgärsprache kein neues Phänomen. Читать далее

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In Kampfbereitschaft

Die ukrainische Armee geht gegen die prorussischen Separatisten vor. Während die Beteiligten sich gegenseitig der Gewalt beschuldigen und von Deeskalation reden, schreitet die Destabilisierung der Ukraine voran.

Geiseln, Dutzende Tote und ein potentieller Bürgerkrieg: Die vorläufige Bilanz der jüngsten Es­kalation verheißt für den Osten der Ukraine nichts Gutes. Sogenannte Volksrepubliken und ihre selbsternannten Anführer, die ukrainische Übergangsregierung und nicht zuletzt die russische Führung nehmen für sich die Rolle von Friedensbringern und Deeskalationsspezialisten in Anspruch. Vorrang genießt derzeit allerdings der Antiterrorkampf ukrainischer Spezialeinheiten, der im Kreml-Jargon kurz und knapp »Strafexpedition« genannt wird. In der Bevölkerung, die von russischen und ukrainischen Fernsehkanälen vollkommen widersprüchliche Informationen erhält, wird die Verunsicherung immer größer. Читать далее

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Die Ukraine zwischen Protest und Dauerkrise

In den zwanzig Jahren, die seit der Unabhängigkeit der Ukraine vergangenen sind, hat das Land schon so manche politische Krise bewältigt. Die territoriale Integrität stand jedoch bis zu den als „Euromaidan“ getauften Protesten und dem damit zusammenhängenden im Februar vollzogenen Regierungswechsel nicht auf dem Spiel. Was als innerukrainische Krise seinen Anfang nahm, hat längst internationale Ausmaße erreicht, die langfristig das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen beeinflussen werden. Schon die Westannäherung Georgiens deutete darauf hin, dass Russland keineswegs gewillt ist die Ausweitung von NATO und Europäischer Union hinzunehmen. Anders als Georgien, das bereits Anfang der 1990er Jahre einen blutigen Spaltungsprozess durchlaufen hat, steht der Ukraine nun womöglich ein solches Szenario bevor. Und die Ukraine, die bislang als eine Art Puffer zwischen Russland und dem Westen diente, spielt für das russische politische und ökonomische Machtgefüge eine entscheidende Rolle.

Doch für das Verstehen der Ereignisse in der Ukraine seit vergangenem November bieten sich geopolitische Erklärungsansätze nur bedingt an. Читать далее

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Krieg der Agenten

Seit Donnerstag voriger Woche ist offiziell, was die russische Führung bislang vehement abgestritten hatte: Auf der Krim waren vor und während des Referendums über einen Beitritt zu Russland Angehörige der Streitkräfte als »Unterstützung für die Kräfte der Selbstverteidigung« präsent. Dies sagte der russische Präsident Wladimir Putin in einer jährlich stattfindenden Fernsehsendung, in der er jenen antwortet, die als telefonische Fragesteller ausgewählt worden sind. »Auf andere Weise wäre es unmöglich gewesen, das Referendum offen und ehrlich durchzuführen«, sagte Putin.

Die Krim ist bereits Geschichte, da ist es ein Leichtes zuzugeben, was in Russland selbst ohnehin keinen Skandal verursacht. Читать далее

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Separatisten hinter Sandsäcken

Für den Anschluss an Russland gibt es in der Ostukraine keine Mehrheit. Doch ört­liche Oligarchen nutzen die Chance, um die Regierung in Kiew unter Druck zu setzen.

Im Osten der Ukraine hält ein politisches Vokabular in den Sprachgebrauch Einzug, das unlängst noch einer anderen historischen Epoche anzugehören schien. Sogenannte Volksrepubliken schossen dort in der vergangenen Woche wie Pilze aus dem Boden. Separatisten nennt die Kiewer Zentralregierung die Anhänger der improvisierten neuen Staatsgebilde, die zahlreiche Verwaltungsgebäude besetzt halten, darunter auch lokale Niederlassungen des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU.

Sie stützen sich auf russische Symbolik, über das weitere Vorgehen besteht indes keine Einigkeit. Einen Beitritt zu Russland wünschen sich die einen, mehr Föderalismus innerhalb der Ukraine die anderen. Zentrum der Unruhen sind die an Russland angrenzenden Regionen Charkow, Lugansk und Donezk. In einigen Gegenden kam es zu Ausschreitungen zwischen proukrainischen und prorussischen Demonstranten. Inzwischen gibt es erste Tote. Читать далее

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Zwischen Hammer und Amboss

Während der russische Staat die Krim »heimholt«, sorgen die ukrainischen Rechtsextremen für weitere negative Schlagzeilen.

Nach russischem Recht gehört die Krim seit Ende vergangener Woche zu Russland. Am selben Tag unterzeichnete die Ukraine, geschrumpft um eine sonnige Halbinsel und zwei Millionen Staatsbürger, das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union (EU), das im Herbst zum Auslöser lang anhaltender Proteste geraten war und schließlich zum Machtwechsel in Kiew geführt hatte. Bislang stand allerdings nur der politische Teil des Abkommens zur Debatte, in dem die Rahmenbedingungen für die europäische Integration der Ukraine festgehalten sind. Erst nach den Präsidentschaftswahlen, die voraussichtlich Ende Mai stattfinden werden, sollen konkrete Vereinbarungen zu Wirtschaft und Handel folgen. Allerdings zeigt die EU Bereitschaft zu Zugeständnissen wie der Abschaffung von Einfuhrzöllen für ukrainische Waren noch vor weiteren gegenseitigen Vereinbarungen, und der ukrainische Außenminister Andrij Deschtyzja prognostiziert voller Optimismus, dass die Ukraine bereits zum Jahresende alle Voraussetzungen für den visafreien Reiseverkehr mit der EU erfüllen könnte. Читать далее

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Lupenreiner Antifaschist

Die Besetzung der Krim wird von der russischen Regierung als antifaschistische Selbstverteidigung dargestellt. In der russischen Linken wird diese Propaganda kaum hinterfragt.

Auf den staatlich verordneten russischen Antifaschismus sind schon viele hereingefallen. Die sowjetische Variante hatte seinerzeit einen großen und in seiner weitreichenden Bedeutung unüberschätzbaren Sieg über den Faschismus deutscher Prägung errungen. Dessen Glanz wirft heute immer noch genügend Rendite ab. Derzeit erhält er in Russland und der Ostukraine erneut Hochkonjunktur, dank der tatkräftigen Unterstützung der ukrainischen Banderowtsy – so werden die Bewohner der Westukraine genannt, in Anlehnung an den einstigen Anführer der »Organisation Ukrainischer Nationalisten«, den ­Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera.

Frühere Liebäugeleien russischer Planspieler in der Moskauer Präsidialverwaltung mit der antifaschistischen Vergangenheit mögen bei aufrechten Antifaschisten so manchen Lacher hervorgerufen haben, ihre Aufgabe haben sie jedoch zumindest hinsichtlich der Deutungsmacht über die antifaschistisch geprägte russische na­tionale Identität weitgehend erfüllt. Читать далее

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