Ein Besuch in Birjuljowo, wo der Mord an einem Russen für nationalistische Krawalle sorgt, während die vielen, teilweise tödlichen Übergriffe auf Migranten kaum wahrgenommen werden.
Nach Birjuljowo fährt niemand ohne triftigen Grund. Ganz im Süden Moskaus gelegen, gleicht der Ort vielen anderen eintönigen, lieblosen und mit Industriegebieten durchzogenen Stadtteilen. Die Atmosphäre wirkt dort dennoch trister als anderswo, aber das mag aus an dem Wissen um einen Mord und daraus resultierenden rassistischen Ausschreitungen liegen. Der preisgekrönte Regisseur Andrej Zwjagintsew hatte schon vor ein paar Jahren die hoffnungslose Endzeitstimmung der grauen Kühltürme eines riesigen Heizkraftwerks erfasst und wählte wohl nicht ganz zufällig Birjuljowo als Kulisse für seinen Film »Elena«. Darin ermöglicht ein kalkulierter Mord einigen Bewohnern des Stadtteils ein Leben im schicken Moskauer Zentrum. Die Realität ist prosaischer.

Der Wohnblock in der Durchfahrtstraße Wostrjakowskij liegt fast am Autobahnring. In der Nacht zum 10. Oktober waren der 25jährige Iegor Schtscherbakow und seine Freundin Ksenia auf dem Nachhauseweg. Fast angekommen, trafen sie auf den sechs Jahre älteren Orchan Zejnalow. Eine Videoüberwachungskamera lieferte Bilder, wie kurz vor dem Mord eine junge Frau Zejnalow die Haustür vor der Nase zugeschlagen hatte. Offenbar erbost, ließ dieser seine Wut an dem jungen Paar aus. Es kam zu einer Auseinandersetzung, während derer Zeynalow den Jüngeren mit einem Messer erstach. Zum eigentlichen Skandal führte jedoch nicht der Mord, sondern der Umstand, dass der Täter aus Aserbaidschan stammt und seit zehn Jahren in einem Gemüsegroßhandel in Birjuljowo arbeitet. Illegal, wie die Polizei sagte. Читать далее