Acht Putin-Kritiker verurteilt

Moskauer Gericht spricht Demonstranten schuldig / Höhe der Strafen noch offen

Acht Oppositionelle, die auf dem Bolotnaja-Platz in Moskau gegen Präsident Wladimir Putin demonstriert hatten, sind schuldig gesprochen worden. Die Höhe der Haftstrafen wird erst am Montag verkündet.

Schuldig, so lautete am Freitag das klare Urteil der Richterin Natalja Nikischina. Zwischen fünf und sechs Jahren hatte die Staatsanwaltschaft für acht Angeklagte wegen Beteiligung an Massenunruhen und Gewalt gegen Staatsvertreter gefordert. Dem ging ein acht Monate dauernder Strafprozess voraus, der weniger der Wahrheitsfindung diente als einer politischen Maßregelung jener, die mit ihrer Kritik an dem für eine dritte Amtszeit gewählten Präsidenten Wladimir Putin nicht zurückhalten.

Die Verlesung des Schuldspruchs entsprach im Wesentlichen der Anklageschrift. Bereits nach einer Stunde erklärte die Richterin allerdings, die Urteilsverkündung werde erst am Montag fortgesetzt. Über die Gründe dieser Verschiebung lässt sich nur mutmaßen, aber es drängt sich die Annahme auf, dass das Strafmaß nicht zuletzt von den Ereignissen in der Ukraine abhängen wird. Beobachter und Prozessbeteiligte sind sich allerdings uneins, ob sich daraus eine besondere Härte zu Abschreckungszwecken ergibt, oder aber der Kreml Milde walten lässt, um nicht womöglich auch in Moskau Kiewer Verhältnisse zu provozieren.

Über 1000 Menschen fanden sich vor dem Moskauer Gericht zur Urteilsverkündung im sogenannten Bolotnaja-Fall ein, um ihre Solidarität mit den acht Angeklagten zu zeigen. Bereits am Vorabend sperrte die Polizei den Zugang zum Gericht ab und griff dann im Laufe des Tages mehr als 200 Personen willkürlich aus der Menge heraus, wobei die Uniformierten vorsorglich ihre Erkennungsmarken abnahmen. So war es auch am 6. Mai 2012, als eine Demonstration gegen den am folgenden Tag ins Präsidentenamt zurückgekehrten Wladimir Putin trotz genehmigter Route vor dem Bolotnaja-Platz gestoppt wurde. Bei Zusammenstößen mit Sondereinheiten flogen damals Pflastersteine und Plastikflaschen. Waffen kamen nicht zum Einsatz, obwohl dies die Voraussetzung für Strafermittlungen wegen Massenunruhen darstellt.

Am vergangenen Dienstag begann die Hauptverhandlung gegen Sergej Udalzow und Leonid Razwozzhajew. Die beiden führenden Vertreter der Linksfront gelten nach Ansicht der Staatsanwaltschaft als Organisatoren der vermeintlichen Massenunruhen am 6. Mai und sollen außerdem weitere gewalttätige Aktionen auch in anderen Regionen geplant haben. Dafür droht ihnen Freiheitsentzug bis zu zehn Jahren. Beihilfe soll der bereits zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilte Konstantin Lebedew geleistet haben, auf dessen Geständnis weite Teile der Anklage beruhen. Als Ideengeber und Sponsor gilt der ukrainische Politiker und Experte für Regierungsumstürze im postsowjetischen Raum Giwi Targamadse.

Die Anklageschrift liest sich als von der Logik her schwer nachvollziehbares Sammelsurium an sich nicht strafbarer Handlungen und diverser durch Indizien kaum belegbarer Anschuldigungen. So wird den Angeklagten beispielsweise zu Last gelegt, per Flugblattaufruf für eine verstärkte Teilnehmerpräsenz auf der von den Moskauer Behörden genehmigten Demonstration gesorgt zu haben. Eine Sitzblockade wird als Versuch interpretiert, den Kreml zu stürmen.

Russische und internationale Untersuchungsausschüsse kamen zu dem Schluss, dass keine Massenunruhen vorlagen und zudem nicht identifizierte Provokateure zu der Eskalation beigetragen hatten. Vier der im Rahmen des jetzt zu Ende gegangenen Prozesses Angeklagten wurden im Dezember per Amnestie freigelassen.

Ute Weinmann

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