Auf Tour für bessere Bedingungen

Jetzt geht es auf nach Sibirien. Den europäischen Teil Russlands haben russische Lkw-Fahrer, die seit Ende Mai auf landesweiter Tour unterwegs sind, bereits fast hinter sich. Ihr Ziel: den Zustand der Fernstraßen zu dokumentieren, Informationen über die Situation von Transportunternehmern vor Ort zu sammeln und selbstverständlich Aufklärung. Im vergangenen Herbst haben sie durch eine großangelegte Protestaktion gegen die Einführung einer Schwerverkehrsabgabe erstmals in großem Massstab auf sich aufmerksam gemacht und waren auch in den Medien präsent. Aber das gehört längst der Vergangenheit an. Staatliches Fernsehen und Presse erwähnen die umtriebigen Lkw-Fahrer nur noch in Verbindung mit von der Regierung vorgetragenen Absichten, die Steuerlast so umzuverteilen, dass die Kfz-Steuer nicht voll zum Tragen kommt. Die nach wie vor protestierenden Fahrer hegen indes generell arge Zweifel an der Kompetenz des Verkehrsministers Maxim Sokolow und geben nur wenig auf dessen Äußerungen. Читать далее

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Homophobe Moral

Im ukrainischen Kiew konnte unter großem Polizeiaufgebot Mitte Juni eine Pride-Parade stattfinden. Auf der Krim und in den sogenannten Volksrepubliken im Donbass ist es um die Rechte von Homo- und Transsexuellen jedoch schlecht bestellt.

Mit ein wenig gutem Willen geht es doch. Am 12. Juni konnten in der ukrainischen Hauptstadt an die 2 000 Menschen mehr oder weniger ungestört die »Kiew Pride« zelebrieren, bewacht von 5 500 Polizisten. In den Jahren zuvor war es beim Kiewer »Marsch für Gleichheit« immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen gekommen – oder er wurde aus Sicherheitsgründen gleich ganz abgesagt. Ein so großes Polizeiaufgebot zum Schutz der Rechte sexueller Minderheiten wie in diesem Jahr hat es in Kiew noch nie gegeben, aber auch die Teilnehmerzahl stieg deutlich an. Widerstand gegen Demonstrationen unter der Regenbogenflagge begleitet indes weiterhin jeden Versuch, die Öffentlichkeit auf bestehende Diskriminierungen aufmerksam zu machen; auch die Gewaltbereitschaft bleibt hoch. Читать далее

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Armee der Trolle

In sozialen Netzwerken hetzen professionelle russische Internet-Trolle gegen Kritiker der russischen Regierung. Auf der Straße werden die Opfer dann häufig tätlich angegriffen.

Was früher in Deutschland der Blockwart besorgte, darum kümmern sich in Russland heutzutage anonyme User in sozialen Netzwerken. Dabei ist nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich, ob es sich um bezahlte Profis handelt oder um Überzeugungstäter, die ohne Honorar und konkrete Anweisungen vorgehen. So oder so eint sie manches: Sie können keine Kritik am Führungsstil des russischen Präsidenten Wladimir Putin ertragen, reagieren allergisch auf dessen US-amerikanischen Kollegen Barack Obama und vertreten im Ukraine-Konflikt klare prorussische Positionen. Und sie werden gerne ausfällig. Читать далее

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Die Trucker organisieren sich

Nach einem Protestcamp und einem zehntägigen Streik dokumentieren russische Trucker den Zustand der Fernstraßen und informieren sich gegenseitig über die Arbeitbedingungen.

Auf Reisen sind sie eigentlich immer. Die Ladung einiger widerständiger russischer Fernfahrer besteht seit vergangener Woche allerdings weniger aus Holz, Gemüse oder sonstigen Waren, als vielmehr aus allerlei technischen Gerätschaften, um landesweit den Zustand der Fernstraßen zu dokumentieren und sich systematisch über die Arbeitsbedingungen von Kollegen zu informieren. Einen Monat lang ist eine Gruppe Trucker in drei Lastkraftwagen unterwegs und erhält in den besuchten Gegenden jeweils lokale Verstärkung. Wo die Straßen im Gebiet Kursk nichts zu wünschen übrig lassen, sieht es in der Umgebung von Rjasan oder Tula ganz anders aus. Dort treffen die Fernfahrer in einem fort auf Löcher und regelrechte Gruben im Straßenbelag, die sie nun sorgfältig ausmessen und fotografieren. Dabei zahlen sie reichlich Steuern und Abgaben für den Erhalt des Straßennetzwerks, seit November sind die Halter von LKW mit einem Gesamtgewicht ab zwölf Tonnen außerdem zur Entrichtung einer speziellen Schwerverkehrssteuer namens »Platon« verpflichtet. Читать далее

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Der Austausch der Gefangenen

Die ukrainische Offizierin Nadeschda Sawtschenko wurde gegen zwei russische Militärangehörige, die für die Lugansker »Volksmiliz« kämpften, ausgetauscht. Derweil vermeldet die OSZE immer mehr Verstöße gegen den vereinbarten Waffenstillstand.

Nach zwei Jahren Haft in einem russischen Gefängnis, mehreren Hungerstreiks, einem skandalösen Gerichtsprozess und einer Verurteilung zu 22 Jahren Freiheitsentzug ist die ukrainische Armeeoffizierin Nadeschda Sawtschenko Mitte vergangener Woche nach Kiew zurückgekehrt. Am selben Tag durften zwei in der Ukraine zu jeweils 14 Jahren Haft verurteilte russische Militärangehörige nach Russland ausreisen. Jewgenij Jerofejew und Alexander Alexandrow gaben sich als Angehörige der Lugansker »Volksmiliz« aus. Der Prozess gegen sie zeichnete sich ebenfalls keineswegs durch ein juristisch einwandfreies Vorgehen aus, doch anders als bei Sawtschenko blieb internationale Empörung aus. Letztlich dienten die beiden Russen als Verhandlungsmasse, um Sawtschenko, die in der Ukraine als Heldin gilt, so schnell wie möglich wohlbehalten freizubekommen. Читать далее

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Sträflicher Unglaube

Glauben darf jeder. Handelt es sich um den »wahren« Glauben, werden dessen Anhänger sogar per Gesetz geschützt. Atheisten haben es da schon schwerer. Obwohl die Überzeugung, es gebe keinen Gott, mangels Beweisen streng genommen auch nichts anderes als eine Glaubensfrage ist, können sie sich nicht auf einen besonderen Schutz berufen. Wiktor Krasnow, ein Atheist aus dem südrussischen Stawropol, fühlt sich von einem überzeugten Orthodoxen bewusst in die Irre geleitet und provoziert. Anderthalb Jahre nach einem heftigen Schlagabtausch mit jenem Gläubigen im russischen sozialen Netzwerk VKontakte wurde Krasnow nun wegen der Verletzung religiöser Gefühle vor Gericht gebracht. Dem gelernten Krankenpfleger droht ein Jahr Haft aufgrund eines Straftatbestands, der nirgends eindeutig definiert ist. Der selten angewandte entsprechende Paragraph wurde vor drei Jahren nach der Punk-Performance von Pussy Riot verschärft, bislang gibt es aber nur ein Urteil. Dem stehen Dutzende Urteile wegen Aufstachelung zum Hass gegenüber. Читать далее

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Nicht willkommen

In Litauen steht eine Antirassistin vor Gericht. In dem kleinen Land befürwortet nur eine Minderheit die Aufnahme von Flüchtlingen.

»Rukla abbrennen, die Regierung abschieben, Flüchtlinge willkommen!« stand auf Plakaten, die eine Gruppe litauischer Antirassistinnen und Antirassisten in der Nacht zum 16. Februar 2015 in der Altstadt von Kaunas klebte. Genau entlang der Route, der am nächsten Tag ein Neonaziaufmarsch folgte. Die antirassistische Gruppe wollte damit die restriktive Migrationspolitik kritisieren und auf Missstände im zentralen Aufnahmezentrum für anerkannte Flüchtlinge hinweisen, das sich in dem kleinen Ort Rukla befindet. Gestützt auf ein linguistisches Gutachten machen Polizei und Staatsanwaltschaft für die Protestaktion jedoch Rechte verantwortlich. Dieser Interpretation zufolge enthalte das Plakat den Aufruf, das Dorf Rukla und die dortige Kaserne niederzubrennen. Mit dem Willkommensgruß sei die russische Regierung gemeint, schließlich, so die Logik, stehe ohne jene Kaserne einer russischen Invasion nichts mehr im Weg. Читать далее

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Gezielte Desorientierung

Russische Medien und die staatliche Propaganda behaupten, dass der Einsatz in Syrien die eigenen Bürger schütze.

Kriegsfetischisten kommen in Russland seit Herbst voll auf ihre Kosten. Syrien hat seit dem Eingreifen russischer Luftstreitkräfte den ukrainischen Donbass als Hauptthema im Fernsehen zu weiten Teilen abgelöst. Nach offizieller Lesart findet in der Ukraine ja überhaupt kein russischer Militäreinsatz statt. Demnach lässt sich die russische Präsenz dort eher als eine Art Freundschaftsdienst für Ukrainer interpretieren, die keine sein wollen. Und wo seinerzeit Tod und Elend im Donbass die Berichterstattung geprägt hatten, blendet das russische Staatsfernsehen die verstörenden Bilder ziviler Opfer im Syrien-Krieg einfach aus. Zudem muss Russland seine Militärpräsenz in Syrien nicht verstecken, schließlich fliegen dort auch Franzosen und Amerikaner Einsätze. Es ist eben ein »echter« Krieg gegen einen bedrohlichen Gegner, den »Islamischen Staat« (IS). Und ein »sauberer« noch dazu. Читать далее

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Transit statt Asyl

Zwar hat Russland 1993 die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert, an der Umsetzung hapert es jedoch. Im vergangenen Jahr veröffentlichte das Civic Assistance Committee dazu einen über 300 Seiten umfassenden Bericht. Die Moskauer Nichtregierungsorganisation berät und unterstützt Flüchtlinge seit über 25 Jahren. Ihre Schlussfolgerung fällt eindeutig aus: Russland kommt seinen Verpflichtungen nicht nach.

Im November teilte die russische Migrationsbehörde mit, dass seit Beginn des Bürgerkriegs etwa 2000 syrische Flüchtlinge in Russland Asyl erhalten haben. Insgesamt halten sich nach Schätzungen der Behörde etwa 12 000 syrische Staatsbürger im Land auf, weniger als 5000 verfügen über einen anderen Aufenthaltstitel, der Rest ist illegal. Читать далее

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Krieg in jeglichem Sinne

Präsident Ramsan Kadyrow reicht es nicht, seine Untertanen zu terrorisieren. Immer aggressiver bedroht er russische Oppositionelle außerhalb Tschetscheniens.

»Tschetschenien ist ein Vorbild für Frieden und Eintracht.« Mit derlei Weisheiten brüstet sich der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow. Sein fleißig betriebener Instagram-Blog ist voll davon. Oftmals ist allein die Bildsprache schon sehr beredt. So veröffentlichte Kadyrow Ende Januar auf Instagram ein Video, auf dem der Vorsitzende der Oppositionspartei Parnas, Michail Kasjanow, durch den einem Gewehrvisier nachempfundenen Filter zu sehen ist. Im Begleittext heißt es: »Kasjanow ist nach Straßburg gereist, um Geld für die russische Opposition abzuholen. Wer das nicht versteht, versteht gar nichts!«

Ginge es nach dem Willen des tschetschenischen Regionalfürsten, stünden Oppositionelle nicht nur in seiner kleinen Nordkaukasus-Re­publik, sondern landesweit auf der Abschlussliste. Kadyrow belässt es nicht dabei, als Ideengeber für die russische Machtzentrale im Kreml in Erscheinung zu treten, obwohl er auf diesem Gebiet zweifellos Erfolge vorzuweisen hat. Die Rolle des Hofhundes, Henkers und selbstverliebten Landesvaters ist ihm auf den Leib geschrieben, aber seine Ambitionen reichen über die tschetschenischen Grenzen weit hinaus. Читать далее

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