Weder Krieg noch Frieden

An Frieden ist in der Ostukraine vorerst nicht zu denken. Die am Abend des 5. September offiziell in Kraft getretene Feuerpause dient bestenfalls als Vorspiel für einen langanhaltenden Verhandlungsprozess. Vielleicht bleibt es aber auch bei einer zeitlich begrenzten Atempause, die nach monatelangen Gefechten alle beteiligten Seiten dringend benötigen. Anstelle eines nichterklärten, de facto jedoch mit fast allen zur Verfügung stehenden Mitteln geführten Kriegs, in dem sich lokale Aufständische, russische Armeeangehörige und freiwillige KämpferInnen mit ukrainischen SoldatInnen, bunt zusammengewürfelten und mehr oder weniger autonom agierenden Bataillonen und Privatarmeen bekriegen, herrscht nun tatsächlich weder Krieg noch Frieden. Geschossen wird weiterhin, wenngleich sich im Großen und Ganzen alle an die Vereinbarungen halten.

Doch allein die Zwischenbilanz wartet mit verheerenden Zahlen auf: Die Vereinten Nationen gehen mittlerweile von insgesamt über 3.000 Todesopfern des bewaffneten Konflikts aus, die 298 Passagiere der über dem Kampfgebiet abgeschossenen Boeing der Malaysia Airlines eingerechnet. Читать далее

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Der Krieg, den es nicht gibt

Die russische Regierung hat deutlich gemacht, dass sie eine Niederlage der Separatisten in der Ostukraine nicht hinnehmen wird.

Wie moderner Pazifismus aussieht, wird derzeit in der Ostukraine anschaulich durchexerziert: Alle kämpfen mit der Waffe, aber keiner führt Krieg. Dabei ziehen alle beteiligten Seiten ihren Nutzen aus dem nicht enden wollenden Konflikt. Nur die nicht bewaffnete lokale Bevölkerung hat das Nachsehen. Sie kann nur abwarten oder fliehen und sich für unbestimmte Zeit eine andere Bleibe suchen. Die Anzahl der Todesopfer hat sich im August auf inzwischen über 2 500 verdoppelt. Aber auch das macht offiziell noch keinen Krieg aus. Die ukrainische Führung hält an ihrer sogenannten Antiterroroperation fest, Anhänger der Donezker und Lugansker »Volksrepubliken« schlagen sich dank militärischer Unterstützung des östlichen Nachbarn durch und ruhen sich von den Kampfstrapazen gelegentlich jenseits der Grenze im russischen Hinterland aus, während die russische Regierung sich als Friedensbringer in Szene setzt.

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«Das gehört eigentlich uns»

Um es gleich klarzustellen: Auf Deutsche treffe ich in Moskau höchst selten und wenn, dann nur an bestimmten Orten. Das ist zunächst einmal nur eine Feststellung. Wenn ich kurz darüber nachdenke, stellt sich unweigerlich der Verdacht ein, das habe womöglich damit zu tun, dass ich den Deutschen aus dem Weg zu gehen versuche. Immerhin bilden die Deutschen unter den Westausländern die größte Bevölkerungsgruppe. In Russland leben also mehr Deutsche als US-Amerikaner. Andererseits finden sich in Moskau deutlich weniger Deutsche als in Kreuzberg, glaube ich zumindest, auch wenn so mancher Russe mit oder ohne Ortskenntnis behauptet, dort lebten ausschließlich Türken. Jedenfalls ist es statistisch nicht ganz unwahrscheinlich, in Moskau nur ausnahmsweise auf Deutsche zu treffen.

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Wahlkampf im Krieg

Die ukrainische Regierungsoalition hat sich aufgelöst, die Offensive in der Ost­ukraine geht weiter.

Es war nur eine Frage des Zeitpunkts. Innerhalb weniger Tage erfolgte vorige Woche im ukrainischen Parlament, der Werchowna Rada, erst die Auflösung der Fraktion der Kommunistischen Partei, dann erklärten die Parteien der Regierungskoalition Udar, Swoboda und Batkiwschtschina der Reihe nach ihren Austritt und am Freitag verkündete schließlich Ministerpräsident Arsenij Jatsenjuk seinen Rücktritt. Damit ist der Weg frei für vorgezogene Parlamentswahlen, die aller ­Voraussicht nach am 26. Oktober stattfinden werden. Allerdings darf nach ukrainischer Gesetz­gebung erst nach Ablauf eines Monats eine neue Regierungskoalition gebildet werden, nach dieser Frist erst kann Präsident Petro Poroschenko, der diesen Schritt schon nach seinem Wahlsieg angekündigt hatte, die Rada vollständig auflösen. Dass sich die Partei der Regionen bis dahin mit anderen Fraktionen zusammenschließt, um die nötige Regierungsmehrheit zusamenzubringen, ist mehr als unwahrscheinlich. Demnach ist der Wahlkampf eröffnet.

Der ukrainischen Rada muss keine Träne nachgeweint werden. In ihrer bisherigen Form stellt sie kaum mehr als eine Lobbyvertretung diverser ukrainischer Business-Clans dar.

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Bolotnaja-Fall: Preis der Unfreiheit

Vier Jahre und sechs Monate Haft. Diese Strafe verhängte gestern das Moskauer Stadtgericht für den vermeintlich für sogenannte Massenunruhen am 6. Mai 2012 verantwortlichen Politiker Sergej Udaltsow und den ebenfalls in der Linksfront aktiven Leonid Razwozzhajew. Damit geht ein langwieriger und wenig spektakulärer Prozess zu Ende, der faktisch zur Auflösung jenes Teils der russischen Linken geführt hat, der sich in einem breiten Bündnis für faire Wahlen einsetzte.

Erst am späten Abend erfolgte nach stundenlanger Verlesung die Urteilsverkündung. Alle Anwesenden mussten stehen, etliche Unterstützer der Angeklagten ließ Richter Alexander Zamaschnjuk aus dem Verhandlungsraum entfernen, darunter auch eine ältere Frau, die, mit Verweis auf eine Behinderung, auf ihrer Bank sitzen blieb. Invaliden hätten im Saal nichts zu suchen, so der Richter. Читать далее

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Tödlicher Irrtum

Entgegen ihren Angaben verfügten wahrscheinlich auch die Separatisten in der Ostukraine über Waffensysteme, die den Abschuss des malaysischen Passagierflugzeugs ermöglicht hätten.

Über die Umstände des Absturzes einer Boeing 777 der Fluggesellschaft Malaysia Airlines auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur am späten Nachmittag des 17. Juli im Osten der Ukraine lassen sich bislang keine gesicherten Angaben machen. Alles spricht für einen Abschuss durch eine Rakete vom Typ Buk. Etwa zehn Minuten vor Verlassen des ukrainischen Luftraums in Richtung Russland verschwand das Flugzeug von den Radaren. Die Trümmer der Maschine und Leichen von 298 Menschen, denen egal gewesen sein dürfte, wer im ukrainischen Donezk das Sagen hat, liegen auf einem weitläufigen Gebiet verteilt, das von aufständischen Einheiten der Donezker »Volksrepublik« kontrolliert wird.

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Rentabler Separatismus

Der Osten der Ukraine wird offenbar nicht so schnell zur Ruhe kommen. Lokale Clans und Oligarchen, aber auch Neonazis versuchen, vom Konflikt zu profitieren.

Ausgerechnet am Stadtrand von Donezk – dem russischen Ort, der den gleichen Namen trägt wie die umkämpfte Hauptstadt des ukrainischen Donbass – schlugen am Sonntag mehrere Geschosse ein. Zwei Menschen trugen Verletzungen davon, ein Mann kam ums Leben. Seine Familie hatte der Zivilist nur wenige Tage zuvor in Sicherheit gebracht, nachdem sich die Gefechte zwischen ukrainischen Truppen und Aufständischen an der ukrainisch-russischen Grenze verschärft hatten. Diese ist gerade mal drei Kilometer entfernt. Vermutlich handelte es sich nicht um einen gezielten Treffer, sondern um einen Fehlschuss kaum geschulter Soldaten oder Angehöriger separatistischer Gruppen, von denen es im Konflikt in der Ostukraine viele gibt. Die Geschosse könnten von beiden Seiten stammen, aber niemand will die Verantwortung auf sich nehmen.

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Geordneter Rückzug

Ukrainische Truppen haben Slawjansk eingenommen, doch der Konflikt mit den abtrünnigen »Volksrepubliken« ist noch lange nicht zu Ende.

Petro Poroschenko hat Wort gehalten – und Glück gehabt. Der ukrainische Präsident kündigte nach Beendigung der Waffenruhe am Montag voriger Woche ein härteres Vorgehen im Kampf gegen separatistische Kräfte in der Ostukraine an. Nur wenige Tage nach Beginn der Offensive gab die Militärführung die Einnahme von vier Ortschaften bekannt, die seit Mitte April fest in der Hand der Aufständischen waren, darunter die Separatistenhochburg Slawjansk, und trug somit einen symbolträchtigen Sieg davon. Dann eröffnete das Sonderbataillon Kiew-1 die Jagd auf den monarchistischen Militärstrategen und Verteidigungsminister der Donezker »Volksrepublik« Igor Girkin alias Strelkow. In spätestens zwei Wochen soll Donezk, wohin Strelkow seinen Stab verlegt hat, der Militärprognose zufolge eingenommen werden.

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Jeder bleibt, wo er ist

Die ukrainische Regierung verkündet einen Waffenstillstand, Russland verzichtet auf eine Invasion. Kann der Konflikt in der Ost­ukraine beigelegt werden?

Mit der Anfang voriger Woche verkündeten Waffenruhe signalisierte die ukrainische Regierung, dass sie im Konflikt um die separatistischen »Volksrepubliken« im Osten die Zeit der Verhandlungen für gekommen hält. Friedlich blieb es allerdings nicht, seither gabe es weitere Tote, darunter sowohl ukrainische Armeeangehörige als auch Zivilpersonen. Zudem machten die Separatisten keinen Gebrauch von dem Angebot für Überläufer, straffrei auszugehen, wenn sie nachweislich keine schweren Straftaten begangen haben. Bis Freitagabend sollte der Waffenstillstand gelten, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko verlängerte die Frist um weitere drei Tage, jedoch nicht über Montagabend hinaus: »Die Nichtfortsetzung der Feuerpause ist unsere Antwort an die Terroristen, Freischärler und Marodeure.«

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Rechte gegen Rechte

Tausende fliehen vor den eskalierenden Kämpfen in der Ostukraine. Die eingesetzten Verbände sind auf beiden Seiten mit Faschisten durchsetzt. Während in den sogenannten Volksrepubliken ein Machtkampf unter den Separatisten tobt, wird die Regierung in Kiew durch die Besetzung einer Zweigstelle der Zentralbank in Donezk geschwächt.

Wer die umkämpften Gebiete in der Ostukraine verlassen möchte, ist seit Sonntag aufgefordert, den dafür eingerichteten humanitären Korridor zu nutzen. Zuvor hatten bereits Tausende die Region auf eigene Faust in Richtung Russland verlassen, andere suchten Zuflucht in weiter westlich gelegenen Regionen der Ukraine. Wie viele Tote die Auseinandersetzungen zwischen Separatisten und ukrainischen Truppen im Rahmen der von der Zentralregierung ausgerufenen »Antiterroroperation« bislang unter der Zivilbevölkerung gefordert haben, ist unbekannt. Es wird zwar nicht gezielt auf Zivilisten geschossen, aber Minen von beiden Seiten explodieren regelmäßig in Wohnvierteln.

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