Nationalistische Ostalgie

Beim Konflikt um die Vorherrschaft auf der Krim und in der Ukraine werden von der russischen Regierung, aber auch von einigen ukrainischen Akteuren alle nationalistischen Register gezogen.

Auf der Krim geht es nun ums Ganze. Werbetafeln in der Hafenstadt Sewastopol, die kurzerhand Russisch zur Amtssprache erhoben hat, zeigen eine rote Krim mit riesigem Hakenkreuz vor schwarzem Hintergrund neben einer Krim in den russischen Farben Weiß-Blau-Rot. Entweder – oder. Als stünde eine faschistische Invasion bevor, gegen die die Bevölkerung ihre Stimme erheben darf. Zur Beschleunigung der Konfliktdynamik auf der Halbinsel verlegte die prorussische Regionalregierung das geplante Referendum über den zukünftigen Status der Krim von Ende März um zwei Wochen vor. Bereits am kommenden Sonntag sollen die Einwohner der autonomen Republik entscheiden, ob sie einer Angliederung an die Russische Föderation zustimmen oder die Autonomie der Krim auf Grundlage der Verfassung von 1992 festschreiben. Letzteres würde bedeuten, dass das Verhältnis zur Restukraine in Zukunft in gesonderten Verträgen geregelt werden müsste. Umfragen zufolge befürwortet eine Mehrheit die zweite Option, aber das Parlament und die lokale Regierung unter Ministerpräsident Sergej Aksjonow machen keinen Hehl aus ihrer Präferenz: Sie werben für einen Anschluss an den östlichen Nachbarn. Читать далее

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Antifaschist aus Kiew über den rechten Einfluss auf die Proteste

In der Ukraine überschlagen sich die Ereignisse. Statements von gestern scheinen heute bereits an Aktualität verloren zu haben. Dieses Interview mit Oleg Schelenko aus Kiew, Antifaschist und Experte für Rechtsextremismus, wurde Anfang Februar geführt, also noch vor dem Machtwechsel in der Ukraine und der dadurch möglich gewordenen Regierungsbeteiligung der rechtsextremen Partei Swoboda. Zumindest bislang haben sich trotz der gestärkten Position des paramilitärischen rechtsextremen Zusammenschlusses „Rechter Sektor“ Ängste und Gerüchte hinsichtlich eines rechten Straßenterrors nicht bestätigt. Oleg Schelenko geht jedoch nicht nur auf die aktuelle Situation ein, insofern leistet das Interview zumindest einen Beitrag zum Verständnis der Verhältnisse in der Ukraine.

Je länger die regierungskritischen Proteste in der Ukraine andauern, desto deutlicher zeigt sich, dass ein beachtlicher Teil der Protestierenden keineswegs geschlossen hinter den Oppositionsführern Vitalij Klitschko und Arsenij Jatsenjuk steht. Vielmehr scheint langsam das Bewusstsein zu reifen, dass anstelle eines Machtwechsels durch Neuwahlen grundlegende Veränderungen des politischen Systems notwendig sind, die u.a. eine effektive Kontrolle der Staatsorgane von unten ermöglicht. Was geht tatsächlich vor auf dem Maidan und welchen Einfluss üben die Proteste auf die ukrainische Gesellschaft aus?

Die Ausrichtung des Konflikts in der Ukraine unterliegt einem steten Wandel, ebenso der Einfluss der beteiligten Akteure. Mit der Bewertung dieser Vorgänge sind viele Politologen, Soziologen und andere Analytiker jedoch überfordert. Einige äußern sich gar nicht, andere bleiben in alten Erklärungsmustern aus der Zeit des Zerfalls der Sowjetunion verhaftet. Es überwiegt die Einschätzung, bei den Protesten handele es sich um einen nationalen Unabhängigkeitskampf. Diese Argumentation entbehrt nicht völlig einer rationalen Grundlage, ebenso spielt sicherlich die aktive Einflussnahme Russlands eine Rolle. Wichtig ist dabei jedoch der Kontext, auf den sich diese Deutungsversuche in der Praxis beziehen. Читать далее

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Im Vakuum ist für alle Platz

Während in der Ukraine eine neue Regierung unter Beteiligung von Rechten und Nationalisten gebildet wird, versucht die russische Regierung, die instabile Lage für ihre Großmachtinteressen zu nutzen.

Die Ukraine bietet derzeit eine Projektionsfläche für jeden Geschmack, in der Fülle an Informationen und Ereignissen finden sich scheinbar Belege für jede noch so abenteuerliche Theorie. Spätestens wenn Großmachtgelüste sich in der Vorbereitung sogenannter Friedensmissionen äußern, wäre es angebracht, einen Moment innezuhalten. Stellenweise wird man in Russland den Eindruck nicht los, der Sommer 1914 (siehe auch Seite 13) stünde vor der Tür, allerdings mit der absoluten Gewissheit, den Sieg bereits in der Tasche zu haben. Symbolkraft und Wahrheitsgehalt driften bisweilen so weit auseinander, dass kaum mehr Überschneidungspunkte zu erkennen sind.

Krim, Frühjahr 2014. Читать далее

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Präsident ohne Plan

Die Protestierenden in der Ukraine haben die Abesetzung des Präsidenten erzwungen. An der neuen Übergangsregierung werden sich höchstwahrscheinlich jedoch auch rechtsextreme und altgediente korrupte Politiker beteiligen.

Eines ist jetzt schon sicher: Die Ukraine hat mit ihren jüngsten Massenprotesten nicht zum ersten Mal neue Maßstäbe im postsowjetischen Raum gesetzt. Nach drei Monaten haben die Protestierenden des Maidan erreicht, dass das ukrainische Herrschaftsmodell von Präsident Viktor Janukowitsch in sich zusammengebrochen ist. Anders als 2004 war es keine Wahlanfechtung oder »orangene Revolution« für einen konkreten alternativen Kandidaten, die einen Machtwechsel herbeigeführt hat, sondern eine breite Bewegung, die zwar auch von der parlamentarischen Opposition getragen wurde, sich im Verlauf der Proteste aber immer weiter deren Einfluss entzogen hat. Ihre Merkmale sind ein hohes Maß an Selbstorganisation, entschlossenes Vorgehen, militantes Auftreten und ein befremdlicher Nationalismus. Das lässt der extremen Rechten einerseits freien Raum zur Entfaltung, andererseits lehnen viele der Protestierenden auf dem Maidan die Rechten ab. Doch dass sich Janukowitsch überhaupt auf Zugeständnisse eingelassen hat und der Platz trotz heftiger Angriffe der Polizei nicht geräumt wurde, liegt nicht zuletzt am Auftreten des paramilitärischen »Rechten Sektors«. Aus dieser Lektion gilt es Konsequenzen zu ziehen, zumal die Proteste noch längst nicht zum Erliegen gekommen sind.

In der vergangenen Woche haben sich die Ereignisse regelrecht überschlagen. Читать далее

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Spielverderber und Kosaken

Das Timing ist eigentlich immer falsch. Obwohl die olympischen Spiele in einem festen Zyklus stattfinden und damit gut planbar sind. Aber es passiert eben noch so viel anderes, was keinen Aufschub duldet und seine Schatten auf das friedliche olympische Beisammensein wirft. Olympia 1980 in Moskau ging der Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan voraus, was durch den Boykott westlicher Sportnationen den Glanz in der speziell für das Großereignis präparierten sowjetischen Hauptstadt erheblich verblassen ließ. Nach Sotschi hingegen kamen trotz weltweit für Empörung sorgender homosexuellenfeindlicher Gesetzgebung alle. Nur ein paar Staatsoberhäupter haben sich der Reise ans Schwarze Meer entzogen, was sicherlich nicht allein den Moralvorstellungen in russischen Politikerkreisen und dem konservativen Schub der letzten Monate geschuldet ist. Und Sportfans aus aller Welt machten sich eher rar, anstatt sich vor Ort ein Bild zu machen von den russischen Verhältnissen oder gar ihre Solidarität mit diskriminierten Homosexuellen oder wenigstens lokalen Umweltschützern zum Ausdruck zu bringen. Читать далее

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Acht Putin-Kritiker verurteilt

Moskauer Gericht spricht Demonstranten schuldig / Höhe der Strafen noch offen

Acht Oppositionelle, die auf dem Bolotnaja-Platz in Moskau gegen Präsident Wladimir Putin demonstriert hatten, sind schuldig gesprochen worden. Die Höhe der Haftstrafen wird erst am Montag verkündet.

Schuldig, so lautete am Freitag das klare Urteil der Richterin Natalja Nikischina. Zwischen fünf und sechs Jahren hatte die Staatsanwaltschaft für acht Angeklagte wegen Beteiligung an Massenunruhen und Gewalt gegen Staatsvertreter gefordert. Dem ging ein acht Monate dauernder Strafprozess voraus, der weniger der Wahrheitsfindung diente als einer politischen Maßregelung jener, die mit ihrer Kritik an dem für eine dritte Amtszeit gewählten Präsidenten Wladimir Putin nicht zurückhalten.

Die Verlesung des Schuldspruchs entsprach im Wesentlichen der Anklageschrift. Читать далее

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Von Aufgeben keine Spur

Während sich die parlamentarische Opposition in der Ukraine kompromissbereit zeigt, radikalisieren sich die Proteste.

Von Aufgeben keine Spur. Am 9. Februar fand in Kiew die mittlerweile zehnte sogenannte „Narodnoje Wetsche“ statt. Seit Beginn der Proteste im November kommen OppositionsanhängerInnen fast jeden Sonntag zur Vollversammlung auf dem Maidan zusammen. An den anderen Tagen hält sich die Aufmerksamkeit für die von der Tribüne geschwungenen Reden für gewöhnlich in Grenzen, denn gehaltvoll sind sie selten. Die „Wetsche“ gilt jedoch als verbindendes Element, zumindest für jene, die sich in den dort formulierten Positionen wiederfinden. Vor über zehntausend ZuhörerInnen traten Vertreter aller in der Ukraine vertretenen Konfessionen auf, die Sängerin Ruslana, die 2004 auf dem Eurovision Song Contest der Ukraine einen Sieg beschert hatte, die regierungskritische Journalistin Tatjana Tschornowol, auf die im Dezember ein gewalttätiger Übergriff verübt wurde, und natürlich führende Oppositionspolitiker aus dem liberalen Lager wie Arsenij Jatsenjuk, Vitalij Klitschko und der Vorsitzende der rechten Freiheitspartei „Swoboda“ Oleg Tjagnybok.

Seit Ende Januar herrscht zwischen Regierung und Opposition offiziell Waffenstillstand. Nach eine Woche andauernden Straßenschlachten in Kiew und zahlreichen Besetzungen von Regierungsgebäuden in der Hauptstadt, aber auch in den Regionen, wo aus den Protesten heraus mittlerweile etwa zwanzig alternative Gebietsregierungen entstanden sind, zeigte die ukrainische Führung erstmals einen Funken von Kompromissbereitschaft. Читать далее

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Iron Maidan

Die Proteste in der Ukraine zeigten Wirkung, doch ein emanzipatorischer Wandel ist nicht in Sicht.

Zwei Monate »Euromaidan« auf den Straßen Kiews haben der ukrainischen Führung stark zugesetzt. Ihr übereiltes Vorgehen Mitte Januar, als sie mit repressiven Gesetzen de facto oppositionelle Handlungen kriminalisierte, bescherte ihr lediglich eine Radikalisierung der Proteste. Prompt folgten Teilzugeständnisse. Aber weder die Kabinettsauflösung noch die Rücknahme einiger der umstrittenen Gesetze vom Januar und die in Aussicht gestellte Amnestie für alle an den gewaltsamen Ausschreitungen Beteiligten mit Ausnahme jener, denen schwere Vergehen vorgeworfen werden, treffen bei der Opposition auf volle Zustimmung – zumal die Erfüllung der an die Amnestie geknüpften Bedingungen, nämlich die Beendigung der Besetzungen staatlicher Verwaltungsgebäude, einer Kapitulation gleichkäme. Читать далее

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Rechts, links, Maidan?…

Die ukrainische Protestbewegung besteht zu einem Großteil aus nationalistischen und rechten Gruppen, aber auch aus Teilen der antifaschistischen und anarchistischen Szene. Die Eskalation der Gewalt hat bisher jede Diskussion über inhaltliche Widersprüche und über das, was nach einem Machtwechsel geschehen soll, verhindert.

Die Protestbewegung der Ukraine ist äußerst heterogen, doch folgt man der Berichterstattung in Deutschland, so muss man den Eindruck haben, dass sich vor allem einer gegen die Obrigkeit durchboxt: Vitali Klitschko, dessen Partei Udar (Schlag) in der Rada, dem ukrainischen Parlament, die zweitstärkste Oppositionskraft ist und finanzielle Unterstützung von der Konrad-Adenauer-Stiftung bezog.

Unbestritten kommen dem Politiker Klitschko unter den Protestierenden derzeit die meisten Sympathien zu, jedenfalls mehr als seinen beiden Kollegen, Arsenij Jazenjuk von der Vaterlandspartei und Oleh Tjahnybok von der rechtsextremen Partei Swoboda. Aber eine richtig gute Figur geben sie trotz der großen Erfolge vom Dienstag alle drei nicht ab. Schließlich werden sie und das von ihnen Erreichte immer an der »orangenen Revolution« von 2004 gemessen, als es zu Neuwahlen kam und in der Folge Viktor Juschtschenko Präsident wurde. Bleiben die Ergebnisse der Proteste hinter denen von damals zurück, käme das aus Sicht vieler Beteiligter einer Kapitulation gleich. Читать далее

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Migrant_innen in Russland

Unerwünscht, illegalisiert und Zielscheibe für Angriffe

Im September entdeckte ein Polizist in Swiblowo, einem Stadtteil im Norden Moskaus, dass in den Dienstwohnungen seiner Vorgesetzten Dutzende Migrant_innen gemeldet waren. »Gummiwohnungen« lautet der Jargon für Adressen, unter denen gegen entsprechende Bezahlung Mittelspersonen meldepflichtige Ausländer_innen registrieren. Diese Praxis ist illegal, aber weit verbreitet, und wäre ohne die Deckung durch korrupte Angehörige der Polizeibehörden in dem Ausmaß gar nicht denkbar. Jener Polizist nahm seine Pflichten offenbar zu ernst. Er konfrontierte seine Vorgesetzten mit seinen Ermittlungsergebnissen, was ihm Verhöhnungen, eine zwölfstündige Wachschicht und anschließendem Krankenhausaufenthalt wegen völliger Erschöpfung und Dauerstress einbrachte und ihn letztlich seinen Job kostete. Seine Ermittlungen verliefen im Sande.

Seit Jahren sind die »Gummiwohnungen« immer wieder Schlagzeilen wert; ebenso wie die prekäre Lage von Migrant_innen insbesondere aus Zentralasien, die häufig als »illegal« gebrandmarkt werden, weil viele an den bürokratischen Hürden für eine Arbeitsgenehmigung scheitern. Im Übrigen sind aus der Perspektive illegalisierter Flüchtlinge und Migrant_innen bestechliche lokale Polizist_innen verlässlicher als rechtliche Bestimmungen. Viele leben in Moskau über Jahre ohne Papiere, darunter beispielsweise auch eine ganze Reihe afghanischer Flüchtlinge, die seit Anfang der 1990er keine Chance erhalten einen legalen Aufenthaltsstatus zu erwerben. Читать далее

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